Bei Wissenschaftsjournalisten ist es wohl eines der zurzeit beliebtesten Themen: neue Verfahren zur Erbgutveränderung. CRISPR/Cas & Co gelten in vielen Laboren als Hoffnungsträger für Medizin und Landwirtschaft. Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) will nun untersuchen lassen, „wie wir die Chancen dieser Technologie nutzen können und wo mögliche Grenzen liegen“. Dafür stellt sie bis zu 3,5 Millionen Euro bereit.
Wankas Ministerium will dabei nicht etwaige Gesundheits- oder Umweltrisiken der neuen Verfahren – häufig ist die Rede vom „Genome Editing“ - prüfen lassen. Die Forschungsgelder, um die sich Unis und Unternehmen bewerben können, sollen helfen, ethische, rechtliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aspekte der Erbgutveränderung zu analysieren.
„Bestimmte Anwendungen der Genom-Editierung können als geeignet erscheinen, grundlegende gesellschaftliche Werte in Frage zu stellen“, heißt es auf der Website des Forschungsministeriums. „Die neuen technischen Möglichkeiten berühren etablierte Vorstellungen von Natürlichkeit und Diversität, Schöpfung, Moral und Verantwortung, ebenso Maximen wie Wahlfreiheit oder Verteilungsgerechtigkeit.“
Wanka interessieren die „bereits etablierten oder denkbaren Anwendungen bei Mikroorganismen, Pflanzen, Tieren oder dem Menschen“. Weiter entwickelte Techniken der Genom-Editierung sollen dabei „bevorzugt“ betrachtet werden. Wörtlich erwähnt wird das „CRISPR/Cas9-System“, das zurzeit in zahlreichen Artikeln in Fachzeitschriften und Zeitungen thematisiert wird. Als Beispiel, womit sich die Forscher genau beschäftigen könnten, nennt das Ministerium unter anderem „Verteilungsgerechtigkeit“, „Ursachen für Akzeptanz und Ablehnung neuer Verfahren und Möglichkeiten“, „zugrundeliegende Wertvorstellungen und Vorannahmen“, „Regelungsbedarf angesichts moderner Möglichkeiten bzw. gewandelter Wertsetzungen“, Analysen zu Vor- und Nachteilen regulatorischer Ansätze (z. B. produkt- versus verfahrensorientierte Regelungen), Risiko-Nutzen-Abwägung“.
Unklar ist noch, wie die neuen Techniken rechtlich eingestuft werden. Die EU-Kommission, die dafür zuständig ist, will sich bis Ende des Jahres äußern. Fallen die neuen Techniken unter das Gentechnik-Recht, müssten damit geschaffene Pflanzen und Tiere zunächst eine Risikoprüfung durchlaufen, bevor sie in der Landwirtschaft genutzt werden dürfen. Auch eine Kennzeichnung wäre dann nötig. Hersteller würden das gerne verhindern. Umwelt- und Verbraucherschützer fordern hingegen, Vorsicht walten zu lassen. Sie glauben nicht, dass die neuen Verfahren so „präzise“ sind, wie es Hersteller gerne behaupten.
Dafür gibt es auch wissenschaftliche Belege: unter anderem die norwegische Biosicherheits-Stiftung Genok veröffentlichte dazu dieses Jahr einen Bericht. Eingeflossen sind Studien, die laut Genok zeigen, dass es auch bei CRISPR/Cas & Co zu unbeabsichtigten Auswirkungen auf die DNA von verschiedenen Organismen, unter anderem Reispflanzen, kommen kann. [dh]