Die heftig umstrittenen Schiedsgerichte, vor denen Klagen von Konzernen gegen Staaten entschieden werden sollen, gehören offenbar nicht zur Grundausstattung von Freihandelsabkommen. Laut der Organisation Foodwatch, die geheime EU-Dokumente zum europäisch-kanadischen Vertragswerk CETA auswertete, wurden die Privatgerichte erst zwei Jahre nach Beginn der Verhandlungen hinzugefügt.
Laut Foodwatch gab es im ursprünglichen Mandat, das die europäischen Regierungschefs Brüssel im Jahr 2009 erteilten, noch gar keinen Hinweis auf die Schiedsgerichte. Erst 2011 seien sie dann endgültig in den Leitfaden für die Verhandlungsdelegationen aufgenommen werden – auf Empfehlung der EU-Kommission. Die begründete das 2010 so: es gebe im kanadischen Rechtssystem „zwar bereits einen angemessenen Schutz für ausländische Investitionen“, doch seien Klagen bislang „häufig mit einem komplizierten bürokratischen Aufwand verbunden“.
Doch es geht nicht nur um Vorteile für europäische Unternehmen, die vor Schiedsgerichten leichter gegen kanadische Gesetze klagen könnten. Denn auch Kanada habe klargestellt, so die Kommission weiter, „dass dies für das Land ein wichtiges Verhandlungsziel ist. Die Reaktion der EU auf dieses Anliegen wird beträchtliche Auswirkungen auf das Gesamtergebnis der CETA-Verhandlungen haben.“
Für Foodwatch zeigen die Dokumente: Schiedsgerichte waren „keineswegs immer ein so unverzichtbarer Bestandteil von CETA, wie es heute auch von der Bundesregierung dargestellt wird.“ Mittlerweile ist CETA fertig ausgehandelt, die Politik will das Paket ungern wieder aufschnüren – und argumentiert, nun lasse sich ohnehin nichts mehr ändern. Aus Sicht von Foodwatch ist jedoch nach Analyse der Mandatstexte klar: „Die Debatte über die Freihandelsabkommen wird nach wie vor nicht offen und aufrichtig geführt.“
Die Investorenschutzklauseln und besonders die Schiedsgerichte sind bei CETA, vor allem jedoch dem EU-USA-Abkommen TTIP, über das noch verhandelt wird, sehr umstritten. Kritiker meinen, so werde eine Paralleljustiz geschaffen. Häufig genannt wird das Beispiel des schwedischen Energiekonzerns Vatenfall. Er verklagt Deutschland wegen des Ausstiegs aus der Atomkraft auf 4,7 Milliarden Euro – aber nicht vor einem deutschen oder europäischen Gerichtshof, sondern einem Schiedsgericht in Washington.
Welche Auswirkungen TTIP und CETA auf die europäischen Gentechnik-Vorschriften hätten, ist unklar. Im EU-Mandat von 2009 gibt es lediglich einen Passus zu allgemeinen „Regelungsfragen“: die Zusammenarbeit solle gefördert und Handelshemmnisse beseitigt werden, „wozu gegebenenfalls auch die Verringerung unnötiger Unterschiede in den Regelungen gehört.“
Ein ehemaliger Beamter des Bundeslandwirtschaftsministeriums sagte einem Journalisten auf die Frage nach Gentechnik-Standards: „Wenn uns jetzt Politiker erzählen, wir brauchen keine Angst zu haben; alles bleibt wie es ist. Da würde ich sagen, entweder wissen sie nicht wovon sie reden oder sie erzählen uns bewusst dummes Zeug! Durch TTIP und CETA wird eine Entwicklung stattfinden, die alles, was wir zurzeit an Sicherheitsvorkehrungen im Zulassungsverfahren haben, aushebelt.“ [dh]