Schon wieder erteilt das Europäische Patentamt ein Patent auf eine konventionell gezüchtete Gemüsepflanze, schon wieder profitiert einer der großen Saatgut-Konzerne. NGOs schlagen Alarm: „Die Patentierung von Nahrungspflanzen ist ähnlich problematisch wie die Privatisierung von Wasser und erfordert eine klare Reaktion der Politik.“
Wie „Keine Patente auf Saatgut!“, ein Zusammenschluss von Organisationen aus mehreren Ländern, gestern mitteilte, erhielt der Schweizer Agrarmulti Syngenta ein Patent auf die Paprika-Pflanzen, das Saatgut, Anbau und Ernte des Gemüses, aber auch – so heißt es in der Patentschrift - auf die „Verwendung einer von einer Paprikapflanze (…) produzierten samenlosen Frucht als Frischprodukt, als frisch geschnittenes Produkt oder für die Verarbeitung wie zum Beispiel die Konservenindustrie.“
Dabei hat Syngenta die Paprika nicht mittels Gentechnik entwickelt – dann wäre eine Patentierung als Erfindung laut Europäischem Patentübereinkommen rechtens. Der Konzern nutzte hingegen Paprikasorten, die die gewünschten Eigenschaft – keine Samen – aufweisen und kreuzte sie. So entstand die „verbesserte Paprikapflanze“.
Aus Sicht von NGOs ignoriert das Europäische Patentamt – eine Nicht-EU-Institution mit Sitz in München – mit solchen Patenten immer wieder die rechtlichen Vorgaben. Die schließen geistiges Eigentum an Pflanzen und Tieren aus konventioneller Zucht aus. Eigentlich. Aber das Amt, das von den Gebühren der Konzerne profitiert, gewährt es trotzdem. „Schritt für Schritt übernehmen die Saatgutkonzerne die Kontrolle über unsere Nahrungsmittel. Sollen wir in Zukunft erst um Erlaubnis fragen, bevor wir eine Paprika aufschneiden?“, kritisierte Christoph Then von Keine Patente auf Saatgut!. „Auf jeden Fall kann Syngenta Andere daran hindern, diese Paprika anzubauen, zu ernten, als Nahrungsmittel zu verkaufen oder für die weitere Züchtung zu nutzen, wenn die Firma das will.“
Auch der deutsche Bio-Dachverband sieht solche Patente kritisch, sie behinderten Innovation in der Züchtung. „Das bestehende Sortenschutzrecht reicht völlig aus, um die geistige Leistung zu schützen, die in dieser Arbeit steckt. Patente blockieren die Weiterentwicklung, auf die wir in der Landwirtschaft weltweit dringend angewiesen sind“ warnte Peter Röhrig, der Geschäftsführer des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Er forderte die Bundesregierung auf, beim Patentamt zu intervenieren. „Aktiv geworden sind bisher weder Justizminister Heiko Maas noch Landwirtschaftsminister Christian Schmidt“, so Röhrigs Kritik in Richtung der Minister aus SPD und CSU. Dabei hatten die Regierungsparteien das Engagement gegen solche Patente sogar im Koalitionsvertrag vereinbart.
Der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling kritisierte das Gemüsepatent ebenfalls: „Es ist wichtig, dass genetische Ressourcen für Züchter und Landwirte frei zugänglich bleiben. Strategische Patente, die Zucht- und Marktmonopole verstärken, bringen keine Innovation für Europa, sondern behindern sie.“ [dh]