Neue Techniken: Agrarminister warnen vor Innovationsstau

Die Agrarminister der 28 EU-Länder trafen sich heute in Luxemburg. Dabei wurde – auf Anregung des deutschen Landwirtschaftsministers – auch über neue Verfahren der Erbgutveränderung bei Pflanzen und Tieren gesprochen. Es geht um Genome Editing, CRISPR-Cas & Co. Wie der Informationsdienst erfuhr, warnte Deutschland mit Unterstützung einiger anderer Staaten, eine Einstufung als „Gentechnik“ könne Innovationen stoppen.

Nach Angaben eines Pressesprechers äußerten Deutschland und „viele“ andere EU-Länder, darunter Großbritannien, die Niederlande und Dänemark die Befürchtung, Züchtungsfortschritte könnten blockiert werden, wenn solche Techniken unter das Gentechnik-Recht fielen. Sie hätten Brüssel aufgefordert, klarzustellen, wie die neuen Technologien – besondere Aufmerksamkeit erfährt derzeit die CRISPR-Cas-Technik – zu bewerten seien. Die EU-Kommission führe gerade eine juristische Überprüfung durch.

Umwelt- und Verbraucherschützer warnen indes davor, die Produkte der neuen Technologien ohne Regulierung auf den Markt zu lassen. Etwaige Risiken seien kaum untersucht. Es gebe „ein erhebliches Schutzbedürfnis für die Umwelt, die Verbraucher und die gentechnikfreie Landwirtschaft“, schrieben mehrere Verbände kurz vor dem Ratstreffen in einem offenen Brief an Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU). Er konzentriere sich zu sehr auf den vermeintlichen Wirtschaftsnutzen solcher Technologien. „Wir weisen jedoch darauf hin, dass laut EU-Richtlinie ökonomische Gründe nicht dafür ausschlaggebend sein dürfen, ob neue Technologien vom Gentechnikgesetz ausgenommen werden oder nicht.“

„Schnellschüsse auf Druck der Züchtungslobby mitzutragen“ sei ein Fehler, erklärte auch der Präsident des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. „Besonders für Bio-Produzenten, die Öko-Forschung und -Züchtung und auch die Verbraucher hätte es weitreichende Folgen, wenn Pflanzen in Umlauf gebracht würden, deren Einordnung unklar ist, die aber nicht unter das Gentechnikgesetz fallen“, so Felix Prinz zu Löwenstein. „Denn ohne Einordnung gäbe es keine Rückverfolgbarkeit, keine Transparenz für Verbraucher und Landwirte und weder eine Risikoabschätzung noch ein Standortregister. "

Die Verbände stützen sich auf ein Gutachten des Juristen und ehemaligen EU-Beamten Ludwig Krämer. Er schätzt, dass CRISPR wie auch die umstrittene Oligonukleotid-gesteuerte Mutagenese (OgM/OdM) gemäß derzeitigem Recht gentechnische Verfahren darstellen müssen. Sie erfüllten die Bedingungen des Gentech-Rechts: demnach ist ein Organismus dann ein gentechnisch veränderter, wenn „direkt Erbgut eingeführt wird, das außerhalb des Organismus zubereitet wurde“ oder mittels Nukleinsäuremolekülen „neue Kombinationen von genetischem Material gebildet werden und diese in einen Wirtsorganismus eingebracht wurden, in dem sie unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommen, aber vermehrungsfähig sind.“ [dh]

+++ UPDATE 27.10.15 +++ Die EU-Kommission berücksichtigt in ihrer rechtlichen Einschätzung nach Angaben einer Sprecherin folgende Techniken: Oligonukleotid-gesteuerte Mutagenese, Zinkfingernuklease-Technik und andere Nuklease-Techniken, Cisgenese, Intragenese, Pfropfung mit Gentechnik-Material, Agroinfiltration, RNA-abhängige DNA-Methylierung und Reverse Züchtung.

CRISPR-Cas nannte die Kommission nicht. Es könnte aber zu den "anderen" Nuklease-Techniken zählen. "Synthetic Genomics" kommt in der Einschätzung offenbar nicht vor, von einer EU-Arbeitsgruppe war dieser Bereich in einem 2011 vorgelegten Bericht noch begutachtet worden.

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