Geht es nach der Bundesregierung, soll das Bundeslandwirtschaftsministerium künftig auf Antrag einer Ländermehrheit den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen (GVO) wie Mais bundesweit untersagen können. Das sieht ein Gesetzentwurf zum Gentechnikgesetz vor, der heute vom Kabinett verabschiedet wurde. Zehn Bundesländer, Opposition und SPD-Vertreter im Bundestag sowie viele Verbände hatten kritisiert, dass hohe bürokratische Hürden im Gesetz ein Verbot des GVO-Anbaus in Deutschland faktisch unmöglich machten. Die Abgeordneten haben bereits angekündigt, sich im parlamentarischen Verfahren für Änderungen am Entwurf stark zu machen.
Die Kritik richtet sich zum einen dagegen, dass nach dem Entwurf für ein GVO-Verbot die Zustimmung von sechs Ministerien erforderlich ist. Außerdem muss eine Mehrheit der Bundesländer für ein Verbot sein und dafür innerhalb einer Frist von 35 Tagen zwingende Gründe nennen, zum Beispiel umwelt- oder agrarpolitischer Natur. Diese Voraussetzungen seien kaum zu erfüllen, kritisieren Verbände wie der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Konzernanwälte würden die Verbotsgründe der Länder auf Schwachstellen abklopfen und die Bundesländer stünden unter permanentem Klagedruck, warnt BUND-Gentechnikexpertin Heike Moldenhauer.
Die Kritiker fürchten ferner, dass in Deutschland ein Flickenteppich von Regelungen entsteht, weil einzelne Bundesländer selbst über GVO-Anbau auf ihrem Territorium entscheiden müssen, wenn die Bundesregierung nicht aktiv wird. Deshalb hatte am Morgen bereits ein Bündnis aus sechs Organisationen einen symbolischen Flickenteppich vor dem Kanzleramt ausgebreitet. An der Protestaktion waren Bioland, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der Bundesverband Naturkost Naturwaren, die Interessengemeinschaft Gentechnikfreies Saatgut, Campact und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) beteiligt. BÖLW-Geschäftsführer Peter Röhrig verwies darauf, dass die Branche schon heute erhebliche Anstrengungen unternehmen müsse, um gentechnische Verunreinigungen der Lebensmittel zu vermeiden. „Hier wird das Verursacher-Prinzip auf den Kopf gestellt“, kritisierte Röhrig. Die Ausbreitung von GVO-Samen lasse sich nicht mit „Flugverbotszonen“ oder Grenzkontrollen stoppen.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hingegen versicherte, mit dem Gesetzentwurf werde langfristig ein deutschlandweites Anbauverbot für grüne Gentechnik sichergestellt. Das Prinzip der gemeinsamen politischen Verantwortung von Bund und Ländern sei das zentrale Element seines Gesetzentwurfs.
Dieser muss nun ins parlamentarische Verfahren. Voraussichtlich im Dezember wird sich nach Experteneinschätzung der Bundesrat damit befassen, Anfang 2017 dann der Bundestag. „Die Abgeordneten müssen sicherstellen, dass der Anbau von Gentech-Pflanzen bundesweit und rechtssicher ausgeschlossen werden kann“, forderte der BÖLW- Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein. „Über 80 Prozent der Menschen in Deutschland wollen eine gentechnikfreie Landwirtschaft.“
Der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner verlangte von seinen KollegInnen von der SPD, deutliche Nachbesserungen durchzusetzen, bevor sie dem Gesetz im Bundestag zustimmen. Aktuell handele es sich nicht um ein Verbots- sondern um ein Gentechnik-Wiedereinstiegsgesetz, so Ebner. Die Grünen hatten deshalb am 20. Oktober den alternativen Gesetzentwurf des Bundesrats vom November 2015 ins parlamentarische Verfahren eingebracht
Deutschland will mit der Änderung des Gentechnikgesetzes eine Richtlinie der Europäischen Union umsetzen, wonach die Mitgliedsstaaten seit 2015 ihr eigenes Territorium vom Anbau EU-weit zugelassener Gentech-Pflanzen ausnehmen können (sog. Opt out-Regelung). [vef]