Am 19. und 20. Juli werden die EU-Mitgliedsstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel über die weitere Zulassung von Glyphosat beraten. Die EU-Kommission hat dazu ihren Vorschlag auf den Tisch gelegt, die Zulassung um weitere zehn Jahre zu verlängern. Eine neue Studie mehrerer Umweltorganisationen wirft den Behörden, die Glyphosat bewertet haben, einen „systematischen Regelbruch" vor.
Der von der Kommission vorgelegte Vorschlag sieht keine Einschränkungen für den Einsatz von Glyphosat vor. Er stellt lediglich den Mitgliedsstaaten frei, bei der Produktzulassung auf den Schutz des Grundwassers oder der Anwender zu achten. Außerdem sollen sich die Mitgliedsstaaten selbst darum kümmern, den Gebrauch von Glyphosat in öffentlichen Anlagen zu minimieren. Nicht zugelassen werden dürfen glyphosathaltige Herbizide, denen die als gitfig bekannten POE-Tallowamine zugesetzt wurden. Erlaubt bleibt die umstrittene landwirtschaftliche Praxis, Getreide kurz vor der Ernte mit Glyphosat abzuspritzen, damit die Körner gleichmäßig reifen (Sikkation).
Die EU-Kommission geht auch nicht darauf ein, dass die massenweise Anwendung von Glyphosat die Artenvielfalt gefährdet. Dies nahm Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zum Anlass, ein Verlängerung der Zulassung abzulehnen. Die Brüsseler Behörde ignoriere komplett die Schäden für die Tier- und Pflanzenwelt, sagte die SPD-Politikerin der Bild-Zeitung: „Deshalb bleibe ich bei meinem Nein“. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt hingegen haben dem deutschen Bauernverband versprochen, sich für eine Zulassung einzusetzen. Die Uneinigkeit in der Bundesregierung würde dazu führen, dass sich Deutschland bei der Abstimmung über eine verlängerte Zulassung enthalten müsste. Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Abstimmung erst nach der Bundestagswahl am 24. September stattfindet. Auf der Tagesordnung der Ausschusssitzung nächste Woche steht nur „Diskussion“.
Diskutiert wird nach wie vor die Qualität der Bewertungen, in denen deutsche und europäische Behörden Glyphosat von jedem Krebsverdacht freigesprochen haben. Das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und das Umweltinstitut München haben einen Bericht vorgelegt, der den Behörden "systematischen Regelbruch" vorwirft. Im Auftrag der Organisationen hat der Toxikologe Peter Clausing die Bewertung der einschlägigen Tierstudien durch die Behörden analysiert und kam zu dem Schluss, dass diese eindeutige Belege für eine krebserregende Wirkung bei Tieren missachtet und beiseite geschoben hätten. Dadurch hätten die Behörden Richtlinien und Empfehlungen, die ihre Arbeit leiten sollen, grob verletzt. Alle mit der Bewertung befassten Behörden, das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hätten die Krebsbefunde systematisch weg interpretiert, sagte Clausing. „Sieben der zwölf von den Behörden ausgewerteten Langzeitstudien belegen Krebsbefunde." Nach EU-Recht würden bereits zwei voneinander unabhängige Studien an Versuchstieren ausreichen, um eine Substanz als krebserregend einzustufen.
Heike Moldenhauer, BUND-Glyphosatexpertin, folgert aus den Ergebnissen, dass die Bewertung des Herbizids politischen und nicht wissenschaftlichen Vorgaben folgte. „Offenbar ist Glyphosat ein systemrelevantes Herbizid und damit 'too big to fail'. Den beteiligten EU-Behörden sind die Geschäftsinteressen von Monsanto und Co. wichtiger als die Gesundheit der Menschen." [lf]