30 Menschenrechts- und Entwicklungsexperten haben im Bundesstaates Piauí im Nordosten Brasiliens die Auswirkungen großer Landinvestitionen auf die soziale, ökologische und menschenrechtliche Lage dokumentiert. Sie prangern „ein verheerendes Ausmaß von agrochemischen Verschmutzungen, Wassermangel und Landraub“ durch den expandierenden Sojaanbau an. Dies beeinträchtige die Biodiversität und die Gesundheit ländlicher Gemeinden, schreibt die Menschenrechtsorganisation FIAN, die an der Brasilienreise der internationalen Delegation beteiligt war.
Die von den Experten interviewten Betroffenen berichteten, dass Landräuber - in Brasilien als Grileiros bekannt - die Vegetation abholzen, Landtitel fälschen und große Flächen an Agrarfirmen verkaufen. Diese bauten dann in Monokulturen Sojabohnen an. In der Regenzeit würden die auf den Plantagen eingesetzten Pestizide direkt in den Fluss gespült, so dass dessen Wasser nicht mehr genutzt werden könne. Das Versprühen der Pestizide mit Flugzeugen gefährde die Gesundheit der Menschen in den anliegenden Gemeinden. Der gesunkene Grundwasserspiegel beeinträchtige die Ernte anderer Pflanzen, etwa der Buriti-Palmen, welche die Gemeinden für die Herstellung vielfältiger Produkte nutzten. Beklagt wurde von den Betroffenen auch die Gewalt und die Einschüchterung durch Großgrundbesitzer, Landgrabber und Milizen, denen die Menschen schutzlos ausgeliefert seien. Gemeindemitglieder würden gezwungen, ihr Land zu Dumpingpreisen zu verkaufen. Viele Familien seien in die Favelas großer Städte gezogen. Schutz vom Staat gebe es nicht.
„Der brasilianische Staat war nicht nur komplett abwesend, wenn es um den Schutz ländlicher Gemeinden vor Plünderungen durch Landgrabber geht“, erklärte Flavio Valente von FIAN: „Durch die Begünstigung der Agrarindustrie ist er viel mehr selbst verstrickt in kriminelle Geschäfte. Dies führte zu einer Welle von inakzeptabler Gewalt an der lokalen Bevölkerung und völliger Straflosigkeit.“ Die Ergebnisse ihrer Ermittlungen stellten die Fachleute in mehreren öffentlichen Anhörungen vor und übergaben den Behörden einen Bericht. Brasilien ist der zweitgrößte Sojaerzeuger nach den USA. Für das Anbaujahr 2017/2018 prognostiziert das US-Landwirtschaftsministerium eine Ernte von 107 Millionen Tonnen Bohnen. Davon sind nach Angaben der von Gentechnikkonzernen unterstützten Organisation ISAAA 96 Prozent gentechnisch verändert.
Die Experten betonten, dass Agrarkonzerne, die in der Region operieren, auch Gelder von Pensionskassen aus den USA, Kanada, Schweden, den Niederlanden und Deutschland erhielten. Sie forderten die genannten Staaten auf, „ihren extraterritorialen Pflichten nachzukommen“. Pensionskassen dürften nicht in Geschäfte investieren, die zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung führen. In den sozialen Netzwerken können die Aktivitäten der Menschenrechtler unter #BrazilLandGrab und #CaravanaMatopiba verfolgt werden. Ende des Jahres sollen die Ergebnisse in einem ausführlichen Bericht vorgestellt werden. [lf]