UPDATE +++ Die europäische Bürgerinitiative „Stop Glyphosate“ (EBI) hat die Europäische Kommission erneut aufgefordert, das Unkrautvernichtungsmittel zu verbieten. „Für eine Wiederzulassung von Glyphosat fehlt jede rechtliche Grundlage“, sagte Helmut Burtscher von Global 2000 gestern bei einer Anhörung im Europäischen Parlament in Straßburg. Die EU-Kommission scheint jedoch entschlossen, den Unkrautvernichter selbst für weitere fünf Jahre zuzulassen, falls sich bis 15. Dezember keine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedsländer findet.
Franziska Achterberg, Greenpeace-Vertreterin in der Initiative, nannte bei der Anhörung eine wachsende Anzahl wissenschaftlicher Belege, dass die laut Werbung „ultimative Killermaschine“ Glyphosat nicht nur die Umwelt schädigt und die Artenvielfalt zerstört, sondern auch die menschliche Gesundheit ernsthaft gefährden kann. Laut Gesetz dürfe ein Wirkstoff aber nur zugelassen werden, wenn er keine inakzeptablen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt habe, so Achterberg. Daher forderte die EBI, sämtliche auf dem Wirkstoff Glyphosat basierende Spritzmittel zu verbieten und EU-weite, obligatorische Ziele festzulegen, wie der Pestizideinsatz generell reduziert werden soll.
EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis sagte, Pestizide seien wichtig, um die Menschen ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen. Es sei aber auch Ziel der EU-Kommission, sichere Nahrungsmittel zu erhalten, die ethisch und nachhaltig produziert worden seien. Daher sei es wichtig, in einer integrierten Strategie zur Schädlingsbekämpfung alle vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen - auch die biologischen. Der Kommissar rief die EU-Mitgliedsstaaten dazu auf, hier mehr Aufklärungsarbeit zu leisten. Zuvor hatte Mika Leandro von der Bürgerinitiative kritisiert, die EU-Länder würden die EU-Richtlinie nicht umsetzen, wonach Pestizide zurückhaltend einzusetzen sind. Auch die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft hatte kürzlich moniert, Glyphosat werde viel zu oft und zu umfangreich versprüht.
Andriukaitis hob ferner die „wichtige Rolle“ der EU-Mitgliedsstaaten als „gleichberechtigte Partner“ bei der Bewertung und Zulassung von Pestiziden hervor. Bei der Zulassung von Pestizid-Wirkstoffen wie Glyphosat gelte ein Subsidiaritätsprinzip: Die EU-Kommission entscheide nur dann, wenn die Mitgliedsstaaten keine qualifizierte Mehrheit erreichen. Dem Vernehmen nach hofft der Kommissar, dass sich bei der Sitzung des Berufungsausschusses der EU-Staaten am 27. November doch noch die nötige Mehrheit für seinen Vorschlag findet, Glyphosat weitere fünf Jahre zu erlauben.
Experten halten das aber für unwahrscheinlich: Bei der vorigen Abstimmung am 24. Oktober vertraten die 14 EU-Länder, die für den Kommissionsvorschlag gestimmt hatten, nur 37 Prozent der EU-Bevölkerung. Nötig wären aber 65 Prozent. Die Gegner, darunter Frankreich Italien und Österreich, repräsentierten gut 30 Prozent der EuropäerInnen. Das restliche Drittel stammte aus Staaten, die sich enthielten. Dazu zählte Deutschland, weil Agrar- und Umweltministerium sich uneins waren. Daran hat sich nach Auskunft einer Sprecherin von Umweltministerin Barbara Hendricks nichts geändert.
Die EU-Kommission argumentiert jetzt – ähnlich wie im Gentechnikrecht – dass die Mitgliedsländer die Pflanzengifte ja national selbst dann verbieten könnten, wenn sie der Zulassung für Glyphosat auf EU-Ebene zugestimmt hätten. Denn nach EU-Recht sind die Nationalstaaten dafür zuständig, die fertigen Spritzmittel zu prüfen und zuzulassen (Glyphosat ist nur ein Wirkstoff). Ob etwa Frankreich, das im eigenen Land einen Ausstieg bis 2022 plant, sich davon umstimmen lässt, erscheint allerdings fraglich. Theoretisch wäre es noch möglich, dass die Kommission die Laufzeit der Zulassung kurzfristig weiter verkürzt. Eine qualifizierte Mehrheit dürfte aber auch das nicht bringen. Klar scheint aktuell nur eins zu sein: Bis 15.12. müsse eine Entscheidung getroffen werden - notfalls durch die Kommission selbst, sagte eine Sprecherin auf Anfrage des Infodienst Gentechnik. Denn am 15.12. läuft die Zulassung für Glyphosat aus. Und die Hersteller haben bereits Klage für den Fall angedroht, dass Verkauf und Einsatz des Totalherbizids nicht erneut genehmigt werden. [vef]