Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat sich zu der Frage geäußert, unter welchen Voraussetzungen ein durch Mutagenese gewonnener Organismus rechtlich als gentechnisch verändert eingestuft werden kann. Anlass ist eine Klage von neun französischen Verbänden dagegen, dass diese Technik in Frankreich bislang nicht als Gentechnik gewertet wird. Das französische Gericht hat den EuGH unter anderem gefragt, ob durch Mutagenese entstandene Pflanzen wie Mais unter die Europäische Freisetzungsrichtlinie fallen.
„Der EuGH-Generalanwalt hat heute immerhin klargestellt, dass auch Produkte neuer Gentechnik-Verfahren nicht generell von der europäischen Gentechnik-Regulierung ausgenommen sind“, sagte der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling. „Das Argument der Industrie, die neuen Verfahren seien keine Gentechnik, weil bei ihnen kein fremdes Erbgut eingesetzt werde, wird in der heutigen Stellungnahme klar widerlegt.“ Sein Bundestagskollege Harald Ebner verwies allerdings darauf, dass noch weitere wissenschaftliche und rechtliche Klarstellungen nötig seien, um sicherzustellen, dass wirklich alle neuen Gentechnikverfahren als Gentechnik gelten – und somit einer Risikoprüfung und Kennzeichnungspflicht unterliegen.
„Als Rückschlag für die Umwelt- und Saatgut-Verbände“, bewertete die Umweltorganisation „Global 2000“ die Entscheidung, die sie auch anders interpretiert: „Die Einschätzung, dass neue genverändernde Techniken nicht unter die Gentechnik-Richtlinie der EU fallen, widerspricht dem Vorsorgeprinzip der EU“, heißt es in einer Presseinformation. „BäuerInnen und KonsumentInnen in der EU zählen jetzt auf den Europäischen Gerichtshof, damit dieser die heute veröffentlichte Einschätzung verwirft und sicherstellt, dass Gentechnik 2.0-Saatgut ausreichend kontrolliert wird“, so Mute Schimpf, Gentechnik-Campaignerin von Friends of the Earth Europe.
Bereits im März 2015 hatten Verbände wie die französische Bauerngewerkschaft Confédération Paysanne oder „Die Freunde der Erde“ ihre Klage beim französischen Gericht Conseil d‘État eingereicht. Sie wenden sich gegen einen Artikel des französischen Umweltgesetzes, wonach Organismen, die durch Mutagenese gewonnen wurden, nicht als gentechnisch verändert (GVO) gelten. Da diese französische Rechtsnorm die europäische Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG umsetzen soll, baten die französischen Richter die Kollegen beim EuGH um Hilfe bei der Interpretation. Der EuGH wird nach Auskunft eines Sprechers in den nächsten vier oder fünf Monaten entscheiden. In der Vergangenheit hat das Gericht sich in vielen Fällen an der Meinung des Generalanwalts orientiert. [vef]