Die Europäische Kommission erlaubt dem Chemiekonzern Bayer, den amerikanischen Saatgutgiganten Monsanto zu übernehmen. Das teilte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Mittwoch in Brüssel mit. Bedingung ist, dass Bayer Geschäftsanteile im Wert von mehr als sechs Milliarden Euro an den Konkurrenten BASF verkauft. Dieser Deal muss von der Kommission noch abschließend geprüft werden.
„Das Ergebnis dieser Untersuchung ist gegenwärtig noch nicht absehbar“, heißt es in der EU-Mitteilung. Die Kommission habe dazu weitere Informationen angefordert. „Bayer kann die Übernahme von Monsanto erst dann vollziehen, wenn die Kommission die endgültige Veräußerung des gesamten Pakets an BASF förmlich geprüft und genehmigt hat.“ Gelingt die mit 62,5 Milliarden US-Dollar größte Übernahme der Nachkriegsgeschichte, ist Bayer der größte Saatgut- und Spritzmittelkonzern der Welt.
EU-Kommissarin Vestager will sicherstellen, „dass auf den Märkten für Saatgut, Pflanzenschutzmittel und digitale Landwirtschaft auch nach dem Zusammenschluss wirksamer Produkt- und Innovationswettbewerb herrscht“. Daher musste Bayer sich verpflichten, nahezu sein ganzes weltweites Geschäft mit Saatgut für Feldkulturen wie Raps, Baumwolle und Soja sowie mit Spritzmitteln (Glufosinat-Ammonium) zu verkaufen. Als Erwerber ist Konkurrent BASF vorgesehen, teilte Bayer mit.
Außerdem muss Bayer BASF eine Lizenz für seine Produkte der digitalen Landwirtschaft erteilen. Sie errechnen mittels enormer Datenmengen zum Beispiel, wann, wie und wo auf einem Acker gedüngt werden muss. Und schließlich stehen mehrere Forschungsprojekte auf Bayers Verkaufsliste. Drei davon sollen Konkurrenzprodukte für den weltweit meistverwendeten Herbizidwirkstoff Glyphosat von Marktführer Monsanto entwickeln. Damit könnte BASF, das derzeit keine Totalherbizide vertreibt, künftig Wettbewerbsdruck auf den neuen Großkonzern ausüben, erklärte Vestager. Mit dem Gesamtpaket seien sämtliche wettbewerbsrechtlichen Bedenken ausgeräumt. Die EU-Kommissarin verwies darauf, dass dadurch nach dem Zusammenschluss weiterhin sechs globale Akteure Saatgut für großflächigen Anbau anbieten und vier mit agronomischen Merkmalen im Wettbewerb stehen werden.
Die Kommission habe in dem Verfahren sehr eng mit einer Reihe von Wettbewerbsbehörden – dem US-Justizministerium, aber auch den Kartellbehörden Australiens, Brasiliens, Kanadas, Chinas, Indiens und Südafrikas – zusammengearbeitet. Die Bedingungen, die diese an die Übernahme stellen, gingen in die gleiche Richtung, sagte Vestager. Erst vor wenigen Tagen hatte China seine Zustimmung zu dem Deal erteilt. In den USA hat zwar ein Investitionsausschuss (CFIUS) keine Sicherheitsbedenken. Den Wettbewerbshütern im Justizministerium scheinen die Zugeständnisse Bayers nach Medienberichten aber noch nicht zu reichen. Spekuliert wird auch über den Einfluss von US-Präsident Trumps protektionistischer Wirtschaftspolitik. Nach eigenen Angaben liegt Bayer inzwischen „deutlich mehr als die Hälfte“ der weltweit erforderlichen 30 behördlichen Freigaben vor. Der Konzern rechnet damit, Monsanto im zweiten Quartal 2018 übernehmen zu können.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die als Drittpartei am Verfahren beteiligt war, bezeichnete die Entscheidung der Kommission als „konzerngeleitet“. Sie bedeute weniger Wettbewerb und mehr Abhängigkeiten für die Bauern. Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL, kritisierte das Verfahren als „nicht transparent und undemokratisch“. Er forderte die neue Bundesregierung auf, einen staatlichen Saatgutfonds einzurichten, um die Züchtung von samenfestem, nachbaufähigen, gentechnikfreien Saatgut zu fördern.
Den grünen Abgeordneten im Europaparlament, Martin Häusling, hat die Genehmigung erschreckt. „Was das für Folgen hat, zeigen steigende Gesundheitsbelastungen von Landwirten und der dramatische weltweite Rückgang der Artenvielfalt gleichermaßen“, mahnte Häusling. Er verwies darauf, dass sogar Finanzinvestoren vor einem immensen „Reputationsrisiko“ für Bayer warnten. Sein Parteikollege Sven Giegold sprach von einer „giftigen Entscheidung für die europäische Demokratie“ und warnte vor „gefährlicher Machtkonzentration“. Daran änderten die Auflagen der Kommission wenig. Und der Präsident des Naturschutzbund Deutschland, Olaf Tschimpke, ergänzte: „Die Entscheidung steht im Gegensatz zu den Forderungen von Umweltschützern und Verbrauchern auf der ganzen Welt, die sich eine umweltverträglichere, gift- und gentechnikfreie Landwirtschaft wünschen.“ [vef]