Mit der Übernahme des Saatgut-Giganten Monsanto hat der Chemiekonzern Bayer eine Kommunikationskampagne gestartet, um gegen die Vorbehalte der Deutschen gegen Gentechnik und Glyphosat anzugehen. Doch kaum wurde die erste Broschüre unter die Journalisten gebracht, gab es Ärger: Der Direktor des Schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBl), Prof. Urs Niggli, wehrte sich gegen die Verwendung eines Zitats.
Die 40seitige Broschüre mit dem Titel „Landwirtschaft und Ernährung von morgen“ ist - neben einer neuen interaktiven Webseite – Teil der Kampagne unter dem Slogan „Hier sind die Fakten“. Bayer wolle damit zu einer Versachlichung der Agrardebatte beitragen, schreibt Pflanzenvorstand Liam Condon im Vorwort. Fragen wie „Ist Glyphosat wirklich gefährlich?“ oder „Ist CRISPR-Cas Gentechnik durch die Hintertür?“ wolle man mit Fakten beantworten. Die Antworten lauten, wenig verwunderlich: nein.
Auf Seite 29 findet sich dann – zum Schrecken vieler Vertreter des Ökobereichs – ein prominent hervorgehobenes Zitat von Prof. Niggli: „Für Landwirte – auch für Öko-Landwirte – eröffnet die neue CRISPR-Cas/Methode viele Chancen: Es können Pflanzen gezüchtet werden, die sich besser an schwierige Umweltbedingungen anpassen können....“ Mit der auch als Genschere bezeichneten Technologie CRISPR-Cas kann gezielter ins Erbgut einer Pflanze eingegriffen werden als mit der herkömmlichen Gentechnik; die Folgen sind aber noch völlig unklar. Nun sind solch umstrittene Aussagen von Niggli nicht neu. Dieses Zitat stammt aus einem Interview mit dem Greenpeace-Magazin vom Februar 2017. Doch wenn der FiBl-Direktor sich vom Bayer-Konzern für seine Kampagne instrumentalisieren ließe, hätte das eine neue Qualität.
Habe er aber nicht, sagt Niggli; Bayer habe das Zitat in der Broschüre verwendet, ohne sein Einverständnis einzuholen. Mussten wir auch nicht, meint der Bayerkonzern; das Zitat sei mit Quelle urheberrechtlich korrekt wiedergegeben. Trotzdem genügte eine Mail Nigglis, dass der Konzern ihm zusicherte, die Restauflage der Broschüre einzustampfen und das Zitat von der Webseite zu nehmen. „Wir respektieren den von Professor Niggli an uns herangetragenen Wunsch, sein Zitat in dieser Form nicht weiter zu verwenden“, schrieb Bayer dem Infodienst auf Anfrage. Die Broschüre sei vergriffen und werde neu aufgelegt. Im Juni war sie als Beilage journalistischer Fachzeitschriften wie der Wirtschaftsjournalist oder das Medium-Magazin in einer Auflage von mehr als 30.000 Exemplaren an Medienschaffende versandt worden. Zur Gesamtauflage der Broschüre und den Kosten der Kampagne wollte der Bayer-Sprecher keine Angaben machen.
Und Urs Niggli zieht weitere Konsequenzen: Nach dem „Missbrauch meines Namens“ werde er auch nicht weiter an der Dialogplattform Zukunftsfelder teilnehmen, die auf Einladung Bayers im April gestartet war. Im übrigen habe er inhaltlich völlig andere Positionen als Bayer, vor allem beim Thema biologischer Pflanzenschutz. Und er sehe keinen Sinn in Dialogen, die auf die Strategie der Firma Bayer keine Wirkung hätten, erklärt der Agrarwissenschaftler. Bei der Dialogplattform will Bayer mit Wissenschaftlern und Verbänden ins Gespräch kommen. Doch dem Vernehmen nach waren aus dem Umwelt- und Biobereich nur wenige gekommen.
So lange es keine Akzeptanz in der Bevölkerung dafür gebe, werde man kein gentechnisch verändertes Saatgut für Europa entwickeln, hatte Bayer-Chef Werner Baumann 2017 versichert. An dieser Akzeptanz will das Unternehmen jetzt, wo Gentechnik-Gigant Monsanto mit im Boot ist, offenbar offensiv arbeiten. Doch wie es aussieht ist das schwieriger, als man sich das vorgestellt hat. [vef]