Aspekte wie Biodiversität, Ernährungssouveränität und Gesundheitsschutz sollen im Rahmen von Fusionskontrollverfahren berücksichtigt werden. Das fordert die Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen in einem Antrag. In einer öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestages äußerten sich Experten unterschiedlich.
„Marktkonzentration im Agrarmarkt“ lautete das Thema der Anhörung vergangene Woche. Im Mittelpunkt standen dabei die von den Wettbewerbshütern genehmigten großen Fusionen in der Agrochemie und –gentechnik (Bayer/Monsanto, Syngenta /Chem China, Dow/Dupont). Die Frage war: Reicht es aus, solche Megafusionen nur unter dem Blickwinkel des Wettbewerbsrechts zu betrachten?
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte, die Prüfungsbefugnis der Wettbewerbshüter auf Bundes- und EU-Ebene beschränke sich auf rein wettbewerbsrechtliche Fragen. Im Fall von Bayer/Monsanto habe die Prüfung ergeben, dass die Marktkonzentration durch den Zusammenschluss zu einem Problem geworden wäre, „weil neben einer weiteren Verknappung des Angebots in der Folge die Produktauswahl und die Preise für Saatgut, Dünger, Pestizide und schließlich für Lebensmittel gestiegen wären.“ Diese möglichen Fusionsauswirkungen habe die EU-Kommission durch ein umfassendes Zusagenpaket abgewendet. Dieser Einschätzung schlossen sich auch andere Sachverständige wie der Düsseldorfer Wettbewerbsrechtler Rupprecht Podszun an.
Sein Kollege Justus Haucap warnte davor, das Wettbewerbsrecht mit einer Vielzahl gegensätzlicher Zielsetzungen auszustatten, über deren Interpretation und Abwägung die zuständige Behörde von Fall zu Fall entscheiden müsse. Diese Vielfalt führe notwendigerweise zu Zielkonflikten, „und es stellt sich die Frage, wie die einzelnen Ziele durch eine Mehrzielbehörde gewichtet und gegeneinander abgewogen werden sollen“, schreibt Haucamp in seiner Stellungnahme. Wie könne eine solche Behörde für Transparenz bei der Zielabwägung sorgen, fragt er sich und warnt davor, dass eine Überfrachtung des Wettbewerbsrechts die Macht der Exekutive stärke und die Gefahr staatlicher Willkür in sich berge.
Dieser Sichtweise widersprach der Frankfurter Wirtschaftsanwalt Kim Manuel Künstner. Er argumentierte, die EU-Kommission habe bei Fusionen im Agrarsektor die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zwingend zu berücksichtigen. Tue sie dies nicht, liege eine ermessensfehlerhafte Entscheidung vor, die vor dem Europäischen Gerichtshof zur Nichtigkeit einer Fusionserlaubnis führen müsse. Allerdings sei der Rechtsschutz bei Fusionskontrollen auf EU-Ebene unbefriedigend. Deshalb sollten EU-Mitgliedsstaaten wie Deutschland auf Nichtigkeit der Erlaubnis klagen.
Auch der Londoner Wettbewerbsrechtler Ioannis Lianos argumentierte dafür, Umweltaspekte und andere Gesichtspunkte in die Fusionskontrolle einzubeziehen. Er hatte dazu dem Ausschuss seine im November 2017 veröffentlichte Ausarbeitung zur Bayer/Monsanto-Fusion zur Verfügung gestellt. Darin nimmt er das Ergebnis der Fusionsgenehmigung mitsamt ihren Auflagen vorweg: „Die Genehmigung dieser Fusion wird zum Entstehen eines starken Oligopols aus vier multinationalen Konzernen führen, das nahezu 2/3 der weltweiten Produktion von Saatgut und Agrarchemikalien sowie die für das ‚Smart Farming’ äußerst wichtigen wertvollen Big Data und IT-Plattformen kontrollieren wird.“ [lf]