UPDATE +++ Einem Wissenschaftler-Team des Londoner Imperial College ist es erstmals gelungen, einen im Käfig gehaltenen Moskitobestand mithilfe gentechnischer Veränderungen und einem Gene Drive als Beschleuniger auszurotten. Das zeigt, wie effektiv und gefährlich diese neue Technik ist, die in Westafrika angewandt werden soll.
Gene Drives sind Manipulationen am Erbgut, durch die eine bestimmte, vorher gentechnisch eingebaute Eigenschaft, in Pflanzen oder Tieren dominant vererbt wird und sich dadurch besonders schnell in einer Population ausbreitet. Sie werden bisher nur im Labor erprobt, insbesondere bei Stechmücken, die gefährliche Krankheiten übertragen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Bestände mit der Zeit eine gewisse Resistenz entwickeln und die – für sie meist tödliche gentechnische Veränderung – umgehen.
Den Londoner Wissenschaftlern ist es nun gelungen, diese Resistenzentwicklung zu vermeiden. Dazu änderten sie einen kleinen Abschnitt des Gens, das bei den Mücken regelt, welches Geschlecht aus dem Ei schlüpft. Dort bauten sie eine Erbinformation ein, die die Weibchen steril macht und verknüpften sie mit einem Gene Drive. Innerhalb von sieben bis elf Generationen ging die Zahl der von den Weibchen gelegten Eier gegen Null und der Bestand erlosch. Dass die Tiere keine Resistenz entwickelten, erklärten die Forscher mit der Natur des Gens, in das sie Sterilität und Gene Drive einbauten. Es handelt sich dabei um ein Gen, dessen DNA-Sequenz im Laufe der Evolution stabil blieb, also gut vor Mutationen geschützt war. Dadurch gibt es im Erbgut der Tiere keine ähnlich gebauten Kopien, die seine Funktion übernehmen und damit den Gene Drive aushebeln könnten. Sie würden nicht behaupten, dass das ausgewählte Gen resistenzsicher sei, schreiben die Forscher. Auf jeden Fall sei es ein klarer Vorteil, bei der Installation von Gene Drives auf solche stark geschützten Gene zu setzen.
Die Molekularbiologin Ricarda Steinbrecher von der Organisation EcoNexus weist in einem Kommentar auf die Risiken einer solchen Strategie hin. Das verwendete geschützte Gen komme in allen 16 Arten von Anopheles-Mücken vor. Es sei bekannt, dass zwischen den verschiedenen Arten ein Erbgutaustausch stattfinde, schreibt Steinbrecher und schließt daraus, dass ein in geschützten Genen versteckter Gene Drive sich über mehrere Arten ausbreiten und sie ausrotten kann: „Diese neue Strategie fügt einem bereits als Hochrisikotechnologie eingeschätzten Verfahren eine Extraportion Risiken und Bedenken hinzu.“
Dabei ist die Gefahr groß, dass diese Gene Drive Moskitos in den nächsten Jahren unter unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen tatsächlich freigesetzt werden – in Burkina Faso. Denn die Forschungen des Imperial College werden maßgeblich von der Gates Stiftung finanziert und sind in deren Projekt Target Malaria eingebunden, das in den afrikanischen Staaten Mali, Uganda und Burkina Faso mit Hilfe der Gentechnik die Malaria bekämpfen will. In diesem Sommer hat die Regierung von Burkina Faso dem Projekt die Freisetzung von Stechmücken erlaubt. Den Anfang sollen Mücken machen, die gentechnisch so verändert wurden, dass die Männchen steril sind – noch ohne Gene Drive. Dieses Experiment sei eigens dazu gedacht, Vertrauen in der Bevölkerung zu schaffen, berichtete die Media-Plattform Telesur: „Sollte das Vertrauens-Experiment erfolgreich sein, könnten sie spezielle Gene Drive Moskitos freisetzen, hoffen die Wissenschaftler aus Burkina Faso, zusammen mit den Teams aus Mali und Uganda.“ [lf]
UPDATE mit Infos über den möglichen Einsatz dieser Mücken in Burkina Faso