Landwirte, die Pflanzengifte nutzen, müssen künftig auf ihren Ackerflächen pestizidfreie Bereiche für Tier- und Pflanzenarten garantieren. Das ist Teil eines Vorschlags von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), wie sie den Abschied vom Totalherbizid Glyphosat bis 2023 organisieren will. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) kritisierte Schulzes Vorgehen.
Die Umweltministerin will bereits jetzt per Verordnung festlegen, dass Glyphosat in Deutschland Ende 2023 verbindlich und umfassend verboten werden soll. Früher sei das nicht möglich, weil die EU es - mit der Stimme eines deutschen CDU-Agrarministers – Ende 2017 bis 2022 zugelassen hatte. Anschließend folgt noch ein Jahr Übergangsfrist. Bis dahin wolle man den Schaden mit Hilfe von Auflagen möglichst begrenzen, so Schulze gestern. So sollen Landwirte, die Glyphosat versprühen, ab 2020 im Schnitt rund zehn Prozent ihrer Ackerfläche als Lebensräume für Tiere und Pflanzen pestizidfrei halten. Solche „Biodiversitätsflächen“ könnten etwa Blühflächen oder Brachen sein oder Getreideäcker mit geringer Saatdichte.
Die Auflagen sollen Teil der Zulassung für glyphosathaltige Spritzmittel werden, die das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in diesem Jahr erneuern muss. Entsprechende Bescheide habe man dem BVL gestern bereits zugesandt, teilte Umweltministerin Schulze mit. Das BVL, das Agrarministerin Klöckner untersteht, müsse die Zulassungen im Einvernehmen mit dem Umweltressort erteilen, das die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt bewertet. Die Auflagen sollen auch für andere Pflanzengifte gelten, welche „die Artenvielfalt nachweislich schädigen“. Außerdem will Schulze den Glyphosateinsatz in Wasserschutz- und ökologisch sensiblen Gebieten untersagen. Generell solle ein Abstand von 20 Metern zu Gewässern eingehalten werden. Auch Vorsaat-, Stoppelbehandlung und Sikkation sollen konsequent verboten werden.
Bundesagrarministerin Julia Klöckner reagierte verschnupft: "Ich habe bereits im April diesen Jahres das Eckpunktepapier zu einer Minderungsstrategie von Glyphosat vorgelegt“, teilte die CDU-Politikerin mit. Man sei darüber in intensiven Gesprächen mit dem Umweltressort. „Jetzt ist es wichtig, zügig zu gemeinsamen Ergebnissen zu kommen und den Entwurf endlich in die Ressortabstimmung zu geben“, mahnte Klöckner. Sie warf Schulze vor, „bereits geregelte Zuständigkeiten wieder einmal in Frage zu stellen“ und damit den Prozess zu verzögern.
Offenbar habe die Umweltministerin ihre Vorschläge noch nicht mit ihrer Kollegin aus dem Agrarressort abgestimmt, interpretierte die grüne Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, den Vorgang. „Das geht so nach dem Motto: Ich würde ja gerne, wenn ich könnte“, spottete die Grünenpolitikerin. Regieren bedeute aber, sich auf eine vernünftige langfristige Lösung zu einigen. Göring-Eckardt forderte die Bundesregierung auf, sich in Deutschland und der EU klar gegen Glyphosat zu positionieren.
Bei ökologischen Verbänden stießen Schulzes Pläne auf überwiegend positive Resonanz. Der Naturschutzbund Deutschland (NaBu) begrüßte, dass der Glyphosat-Ausstieg in der laufenden Legislaturperiode festgezurrt werden soll. Die Bundesregierung müsse sich darüber hinaus national für strengere Anwendungsauflagen für sämtliche Pestizid-Produkte einsetzen, forderte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Auf EU-Ebene müsse sie sich für ein Zulassungsverfahren stark machen, das den Schutz der biologischen Vielfalt umfassend berücksichtige.
Für den Anbauverband Bioland waren die geplanten Ausgleichsflächen schon lange fällig. Die Anwendung des Verursacherprinzips sei „ein großer Schritt zum Erhalt der Biodiversität unserer Kulturlandschaften“, so Biolandsprecher Gerald Wehde. Der deutsche Bauernverband (DBV) kritisierte nach Agenturberichten den „Alleingang“ der Umweltministerin und nannte den Vorschlag „inakzeptabel“. Der Schutz der Arten müsse über Umweltprogramme erreicht werden und gehöre nicht in die Anwendungsverordnung für Spritzmittel, meinte DBV-Präsident Joachim Rukwied. [vef]