Die obersten wissenschaftlichen Berater der EU-Kommission haben ihr empfohlen, das Gentechnikrecht zu überarbeiten. EU-Forschungskommissar Carlos Moedas zeigte sich angetan.
Im Rahmen ihres Scientific Advice Mechanism (SAM) hat die EU-Kommission eine Gruppe von sieben Wissenschaftlern zu ihren Chef-Beratern ernannt. Diese haben ein Papier vorgelegt, in dem sie empfehlen, die bestehende Gentechnik-Richtlinie zu überarbeiten. Dabei sollten im Hinblick auf die Verfahren des Genome Editing der Stand des Wissens und wissenschaftliche Belege berücksichtigt werden. Denn aus Sicht dieser Wissenschaftler ist Genome Editing sicherer als klassische Mutationsverfahren, die bisher in der Pflanzenzüchtung verwendet wurden. Sie verweisen darauf, dass sich diese gentechnischen Eingriffe nur schwer bis gar nicht nachweisen ließen. Zudem würde die Anwendung des Gentechnikrechts zu aufwendigen Zulassungsprozeduren führen, die Investoren abschrecken, die Forschung behindern und die Vermarktung gen-editierter Lebensmittel begrenzen.
Die Haltung der EU-Berater ist nicht neu. Sie hatten bereits im Mai 2017 einen Bericht über neue gentechnische Züchtungsverfahren veröffentlicht und dabei vor allem die von Anwendern und Befürwortern der neuen Verfahren behaupteten Vorteile hervorgehoben. In der Pipeline von EU-Beratern sind noch zwei weitere Papiere: The European Group on Ethics in Science and New Technologies (EGE) arbeitet zur Zeit an den ethischen Aspekten der neuen Gentechnik-Verfahren. Die EGE hatte sich 2016 kurz zu Genome Editing in der menschlichen Keimbahn geäußert und zu sorgfältigen Diskussionen geraten, die sich nicht nur auf Risiko-Nutzen-Erwägungen beziehen dürften, sondern auch andere Aspekte wie Gerechtigkeit, Gleichheit und menschliche Würde betrachten müssten. Das Europäische Netzwerk der Gentechnik-Labore verfasst derzeit zusammen mit dem Forschungszentrum der Kommission ein Papier, das sich detailliert mit der Nachweisbarkeit von Genome Editing beschäftigt.
EU-Forschungskommissar Carlos Moedas betonte das „enorme Potential“ der neuen gentechnischen Verfahren, „die menschliche Gesundheit zu verbessern und die Umwelt zu erhalten“. Gebraucht werde ein Regelwerk, das ein hohes Schutzniveau gewährleiste und gleichzeitig solche Innovationen möglich mache. Das Papier der Berater enthalte wertvolle Hinweise für „unsere Überlegungen für eine zukünftige Überprüfung der Regelung“. Diese Überprüfung soll erreichen, dass das Gesetz mit dem Stand der Wissenschaft gleichziehen kann (Im Original: „so that our laws can keep up with our labs“). Etwas zurückhaltender äußerte sich sein für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständiger Kollege Vytenis Andriukaitis. Er betonte neben dem wissenschaflichem Fortschritt auch, dass die EU die höchsten Standards der Lebensmittelsicherheit habe. „Ich ermutige deshalb zu einer breit angelegten Diskussion darüber, wie die Gesellschaft als Ganzes mit solchen Themen wie Genome Editing umgehen soll“, sagte Andriukaitis. [lf]