Wissenschaftler der Universität Washington haben einen „überzeugenden Zusammenhang“ festgestellt zwischen der Nutzung glyphosathaltiger Herbizide und dem Risiko, an Lymphdrüsenkrebs zu erkranken. Eine deutsche Studie wies Glyphosat in Baumrinden weitab von Feldern nach.
Das Team um Professorin Lianne Sheppard von der Universität Washington hatte sechs epidemiologische Studien von 2001 bis 2018 ausgewertet. Das sind Untersuchungen, bei denen bestimmte Bevölkerungsgruppen, ihre Glyphosatnutzung und die Rate an Krebserkrankungen in Beziehung gesetzt wurden. Bei der Auswertung legten die Wissenschaftler ihr Augenmerk auf die Gruppe innerhalb der einzelnen Studien, die am intensivsten mit dem Herbizid in Kontakt gekommen war. Für diese Menschen ergab sich ein bis zu 41 Prozent höheres Risiko, an einem bestimmten Lymphdrüsenkrebs, dem Non-Hodgkin-Lymphom, zu erkranken. Einbezogen hatten sie auch eine 2018 erschienene Langzeit-Studie, die 54.000 US-Farmer umfasste, die US Agricultural Health Study. Diese Arbeit wurde bisher von Bayer als Beleg für die Ungefährlichkeit von Glyphosat verwendet. Doch auch hier zeigte sich ein Effekt bezogen auf die am stärksten exponierten Landwirte. Sheppards Team wies der Langzeitstudie zudem eine Reihe von Schwächen nach, durch die das Krebsrisiko niedriger ausfiel als in den anderen Arbeiten. Im Gegenzug warf Bayer laut dem Kölner Stadtanzeiger den Washingtoner Forschern vor, sie würden Äpfel mit Birnen vergleichen und ihre Analyse weise „schwerwiegende methodische Schwächen auf“. Die Börsianer beeindruckte das nicht. Der Kurs der Bayer-Aktie gab direkt nach der Veröffentlichung um vier Prozent nach. Am 25. Februar beginnt in Kalifornien der nächste Jury-Prozess über die krebserregende Wirkung von Glyphosat. Dann wird sich zeigen, wie die Geschworenen die neue Studie bewerten.
Nicht die Gefährlichkeit von Glyphosat, sondern die Verbreitung des Herbizids jenseits landwirtschaftlich genutzter Flächen war das Thema einer Studie von TIEM Bremen. Die Experten für Umweltmonitoring hatten an 47 Standorten bundesweit Rindenproben entnommen und auf Pestizide untersucht. Die Baumrinde wirkt dabei als Passivsammler, der Schadstoffe aus der Luft filtert. Die Standorte umfassten intensiv landwirtschaftlich genutzte Regionen ebenso wie Schutzgebiete und einige Großstädte. Insgesamt wies das Labor 106 verschiedene Pestizide nach. Am häufigsten fanden sich die beiden als leicht flüchtig bekannten Pestizide Pendimethalin und Prosulfocarb. 55 Prozent der Proben wiesen auch Glyphosatspuren auf. Die Einträge seien bis mitten in großräumige Schutzgebiete hinein feststellbar gewesen, „die km-weit von nächsten Anbauflächen entfernt waren“, heißt es in der Studie. Als wahrscheinlichsten Verbreitungspfad nennt TIEM die Verfrachtung glyphosathaltiger Stäube von erosionsgefährdeten Ackerflächen. In Auftrag gegeben hatte die Studie das aus Bio-Unternehmen bestehende Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft. Es forderte eine Neubewertung der Zulassung von Glyphosat, da die offensichtlich stattfindende Luftverfrachtung im EU-Zulassungsverfahren nicht berücksichtigt worden sei. Angesichts der Ergebnisse sieht das Bündnis langfristig die Koexistenz von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft gefährdet. (lf)