Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) hat in einem Bericht fünf unterschätzte Umweltrisiken vorgestellt. Eines von ihnen ist die synthetische Biologie, also das Herstellen neuer Organismen mit Hilfe von Genome Editing Verfahren. Dafür brauche es dringend rechtliche und ethische Vorgaben, mahnt UNEP.
Bisher habe sich synthetische Biologie auf geschlossene Systeme beschränkt, heißt es in dem UNEP-Bericht. Als Beispiele nennt er Bakterien und Hefen, die so verändert wurden, dass sie in abgeschlossenen Systemen Biotreibstoff, chemische Rohstoffe oder Arzneimittel herstellen. Doch nun würden zunehmend Freisetzungen in die Umwelt geplant. Dabei bezieht sich der Bericht nicht auf Nahrungspflanzen, die mittels Gen-Scheren wie CRISPR/Cas verändert wurden. Der Focus liegt vielmehr auf den gentechnisch veränderten Mücken, die das Projekt Target Malaria im westafrikanischen Burkina Faso freisetzen will. Sie sollen durch einen eingebauten Gene Drive ihre Eigenschaften dominant vererben und so die vorhandene, Malaria übertragende Mückenpopulation ausrotten. Ähnliche Überlegungen gibt es laut UNEP, um auf pazifischen Inseln invasive Nagetiere auszurotten und so die dort heimische Vogelpopulationen zu schützen. Der Versuch, die amerikanische Kastanie durch Freisetzung pilzresistenter Exemplare vor der Auslöschung durch den Kastanienrindenkrebs zu bewahren, dient im Bericht als Beispiel von Genome Editing im Dienste der Biodiversität.
ABER, warnt die UNEP: Die Fähigkeit, künstliches Leben zu kreieren und bestehendes Erbgut zu ändern, berge die Gefahr von Kreuzkontaminationen und unbeabsichtigen Nebenwirkungen. Die absichtliche oder versehentliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt könnte negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben und zu irreversiblen Umweltschäden führen. Deshalb verweist der Bericht auf das Vorsorgeprinzip und verlangt dessen Anwendung bei der Entwicklung und im Umgang mit Produkten der synthetischen Biologie. Explizit erwähnt der Text eine strenge Risikoabschätzung und die Einbeziehung der verschiedenen Betroffenen. In diesem Zusammenhang verweist UNEP darauf, dass Produkte der synthetischen Biologie lebende gentechnische Organismen im Sinne der UN-Biodiversitätskonvention (CBD) und des rechtlich bindenden Protokolls von Cartagena seien. Das Fazit des Berichts: Den „Code des Lebens zu hacken“ habe derart große Auswirkungen, dass die Regierungen dringendst zusammenarbeiten müssten, um eine sichere Forschung und Entwicklung in diesem Bereich zu gewährleisten. Dazu brauche es rechtliche Rahmenbedingungen, aber auch ethische Richtlinien für die Forschung.
Harald Ebner, Gentechniksprecher der grünen Bundestagsfraktion, hält die Warnungen des Berichts für „mehr als berechtigt“. Er verweist auf die rechtlichen Grundlagen für Regulierung und Kontrolle der Gentechnik in der EU: „Wir sollten sie als Standortvorteil und Chance begreifen, statt sie zu bekämpfen und auszuhöhlen, wie es die Gentechnik-Lobby und ihre politischen Unterstützer tun“, sagt Ebner.
Einen eigenen Kasten widmet der Report den Risiken, die von Garagenlaboren, Biohackern und Do-it-yourself-Gentechbaukästen ausgehen. 2017 habe es weltweit bereits 168 Biohacker-Gruppen gegeben, heißt es in dem Report. Diesen Bereich zu regulieren, sei eine Herausforderung für die Behörden. Die Sorge wachse, dass diese Technologie von Terroristen missbraucht werden könnte, um Ernten zu zerstören und biologische Waffen zu entwickeln.
Die vier anderen unterschätzten Umweltgefahren, die der Bericht behandelt sind: die Zerschneidung von Lebensräumen, das Auftauen des Permafrostbodens, der weltweite Stickstoffüberschuss sowie Klimaschutzmaßnahmen, die nach hinten losgehen. [lf]