Gerste, Weizen, Raps, Kartoffeln, Tomaten und Äpfel: Das sind nur einige der Pflanzen, deren Erbgut deutsche Wissenschaftler umschreiben wollen – mit tatkräftiger Unterstützung der Bundesregierung. Das zeigt deren Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Deutschen Bundestag.
Im Mittelpunkt der von der Bundesregierung geförderten Projekte stehen meist konkrete Anwendungen; Risikoforschung spielt kaum eine Rolle. So fördert das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) Forschungen zur Beeinflussung der „Halmlänge des Weizens durch gezielte, genspezifische Mutagenese“ mit rund einer Million Euro. Laufzeit des Projektes: 2015 bis 2020. 1,6 Millionen Euro fließen in die Züchtung von pilzresistenten Maissorten „durch Kombination genetischer und molekularer Ressourcen mittels Präzisionszüchtung.“ Das Geld teilen sich der Saatgutkonzern KWS und drei Universitäten.
Auch an pilzresistenten Kartoffeln und Raps wird mit öffentlichen Geldern geforscht. Das BMEL fördert auch neue Gentechnik bei Tieren, etwa um Schweine resistent gegen die Schweinepest zu machen, Hühner zu züchten, die nur noch Eier mit weiblichen Küken legen oder Impfstoffe für Geflügel zu gewinnen. Als Alternative zur Kastration von Ferkeln soll eine „funktionelle Ausschaltung des Y- Chromosoms durch Gene Editing“ entwickelt werden. Insgesamt summieren sich die in den Anlagen zur Anfrage aufgelisteten Bewilligungen auf 12 Millionen Euro. Zusätzlich forscht das bundeseigene Julius-Kühn-Institut (JKI) zu Genome Editing, finanziert teilweise aus Institutsmitteln, teilweise durch Zuschüsse des Ministeriums. Einige dieser Projekte beziehen auch Sicherheitsaspekte mit ein.
Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert Genome Editing bei Gerste, Weizen und anderen Getreidearten, bei Raps, Kartoffeln, Tomaten, Zuckerrüben, Äpfeln und Pappeln. Hinzu kommen Gelder für die Grundlagenforschung. Insgesamt addiert sich die Summe auf 33 Millionen Euro, die seit 2012 in die Agro-Gentechnik investiert wurden. Im Bundeswirtschaftsministerium addieren sich die bewilligten Fördergelder der letzten Jahre auf 1,2 Millionen. Zur Risikoforschung schreibt die Bundesregierung, dass bundeseigene Forschungseinrichtungen wie das Friederich-Löffler-Institut bei ihren Projekten „grundsätzlich auch Risiko- und Sicherheitsaspekte mit betrachten“. Im Geschäftsbereich des BMBF würden solche Projekte nicht gefördert. Mit Grundsatzfragen der Risikobewertung befassen sich mehrere Vorhaben, die das dem Umweltministerium unterstehende Bundesamt für Naturschutz fördert. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren auch erhebliche Fördermittel in die konventionelle Pfanzenzüchtung gesteckt und einige Euro über das Bundesprogramm Ökolandbau auch in die ökologische Züchtung. Diese Zahlen finden sich ebenfalls in der Anfrage.
Durch Bundesmittel für universitäre Einrichtungen oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt die Bundesregierung Genome Editing mittelbar. So förderte das BMBFB in den letzten sieben Jahren mit insgesamt 30 Millionen Euro einen Cluster of Excellence on Plant Sciences (CEPLAS) mehrerer Universitäten und Forschungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen. Themen von CEPLAS sind neben anderen die „molekulare Züchtung von Pflanzen“ und die „Entwicklung synthetischer Pflanzen“. Auch die „Entwicklung von ‚Baukästen’ (tool boxes), um Pflanzeneigenschaften anhand molekularer Verfahren zu verbessern, ist auf der Webseite des Clusters unter Anwendungsperspektiven aufgelistet. Bis 2025 rechne CEPLAS mit weiteren 41 Millionen Euro Förderung, schrieb die gentechnikkritische Organisation Testbiotech. Aus diesen Summen zusammen mit der direkten Förderung ergebe sich „ein Fördervolumen von über 100 Millionen für aktuelle Projekte zur gentechnischen Veränderung von Pflanzen und Tieren, die freigesetzt werden und oft auch zur Nahrungsmittelerzeugung dienen sollen“. Über die Risiken werde jedoch kaum geforscht, monierte Christoph Then, Geschäftsführer von Testbiotech. Für ihn zeigt die Förderpolitik der Bundesregierung ein grundlegendes Problem auf: Viele dieser Projekte seien gesellschaftlich nicht ausreichend legitimiert. „Angesichts der breiten Ablehnung der Bevölkerung gegenüber dem Einsatz der Gentechnik müssten bei der Vergabe der Forschungsprojekte auch zivilgesellschaftliche Akteure eingebunden werden, die beispielsweise für den Schutz von Mensch, Tier, Umwelt und Natur eintreten“, forderte Then.
„Die Bundesregierung hat ein gigantisches Ungleichgewicht zu Ungunsten der Sicherheits- und Risikoforschung im Bereich Gentechnik geschaffen“, fasste Harald Ebner, Gentechnik-Sprecher der grünenen Bundestagsfraktion, die Ergebnisse der Grünen–Anfrage zusammen. Weil sich mit Sicherheitsforschung nicht das große Geld verdienen lasse, sei es umso wichtiger, dass diese Aspekte mit öffentlichen Mitteln erforscht werden, sagte Ebner. Dringend gefördert werden müsse auch die Entwicklung von Methoden zur Nachweisbarkeit neuer Gentechnik.
Der Bio-Dachverband BÖLW sprach von einer „einseitigen Forschungsförderung“, die „dem klaren Willen von Markt und Gesellschaft zuwiderläuft“. Statt dessen solle die Bundesregierung im Bereich der Züchtungsforschung Schwerpunkte im ökologischen Bereich setzen, forderte der BÖLW.
Daniela Wannemacher, Expertin für Agro-Gentechnik beim Umweltverband BUND, sagte: „Die Gentech-Pflanzen und -Tiere will niemand essen“. Dagegen würden Verbraucher, Landwirte und die Natur von mehr Forschung für eine nachhaltige Landwirtschaft profitieren.
„Die stark wachsende Land- und Lebensmittelwirtschaft ohne Gentechnik zeigt, dass Bauern, Verarbeiter, Händler und Verbraucher gentechnikfreie Lebensmittel wollen“, kommentierte Alexander Hissting, Geschäftsführer des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG). „Doch die Bundesregierung investiert 100 Millionen Euro Steuergelder für eine Technologie, die in der Bevölkerung keine Akzeptanz hat.“ [lf]