Cyanobakterien im Labor. Foto: Klaus Brilisauer

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Bakterien-Zucker als Alternative für Glyphosat?

Wissenschaftler der Universität Tübingen haben eine Zuckerart entdeckt, die ähnlich wirkt wie der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat. Seit sie das im Februar in der Fachzeitschrift Nature Communications publizierten, meldeten sich viele Interessenten aus Industrie und staatlichen Einrichtungen aus der ganzen Welt, berichtet einer der Forscher. Nun soll getestet werden, ob der Zucker auch auf dem Acker Unkraut vernichten kann.

Es war ein Zufall, dass der Mikrobiologe Klaus Brilisauer bei seiner Promotion auf das bislang unbekannte Zuckermolekül mit dem wissenschaftlichen Namen „7-desoxy-Sedoheptulose (7dSh)“ stieß. Er und seine Wissenschaftlerkollegen hatten beobachtet, dass ein Cyanobakterium das andere am Wachsen hindert. Neugierig untersuchten sie, wie das funktioniert. In mühsamer Kleinarbeit isolierten und entschlüsselten sie die chemische Verbindung, die das Bakterienwachstum hemmt, und stießen auf den Desoxy-Zucker. Das Cyanobakterium stellt ihn her, um damit einen Stoffwechselweg im anderen Bakterium zu blockieren, den sogenannten Shikimatweg. Getestet wurde die Substanz dann unter anderem an Tabakpflanzen sowie der Acker-Schmalwand, die genetisch gut erforscht und damit für biologische Experimente beliebt ist. Dabei zeigte sich, dass der Desoxy-Zucker das Pflanzenwachstum genauso gut hemmt wie Glyphosat, das als reiner Wirkstoff in die Zuchtschale gegeben wurde.

„Der Shikimatweg kommt nur in Mikroorganismen und Pflanzen vor“, erklärt Brilisauer. Aus diesem Grund stufen die Wissenschaftler den neuen Wirkstoff als unbedenklich für Menschen und Tiere ein und wiesen dies bereits in ersten Untersuchungen nach, teilte die Uni Tübingen mit. „Wir sehen hier eine hervorragende Chance, es als natürliches Herbizid einzusetzen“, sagt der 33jährige. Deshalb hat die Uni Tübingen schon vor Veröffentlichung der Dissertation im Jahr 2017 ein Patent für den Zucker angemeldet. Über die Zahl und Herkunft möglicher Kooperationspartner aus der Wirtschaft wollte Brilisauer keine Angaben machen.

Das große Interesse an dem Fund erklärt sich aus dem Ziel zahlreicher Staaten vor allem in Europa, sich zeitnah vom Unkrautvernichter Glyphosat zu verabschieden. Auch Glyphosat vernichtet Unkraut, indem es ein Enzym im Shikimat-Stoffwechsel der Pflanzen hemmt. „Anders als bei Glyphosat handelt es sich bei dem neu entdeckten Desoxy-Zucker um ein reines Naturprodukt“, erklärt Klaus Brilisauer. „Wir erwarten für 7dSh eine gute Abbaubarkeit und eine geringe Ökotoxizität.“ Schließlich stellten die Süßwasserbakterien den Zucker bereits seit Jahrmillionen her.

Ob das alles auch in der Praxis funktioniert, muss nun getestet werden. So sind die Forscher zurzeit mit möglichen Kooperationspartnern im Gespräch, die den neuen Wirkstoff auf Versuchsfeldern ausprobieren sollen. Außerdem muss die Giftigkeit weiter geprüft werden. Wäre das Spritzmittel dann produktionsreif, müsste es von den Behörden noch zugelassen werden. Ob das alles bis zu einem angestrebten Glyphosatausstieg im Jahr 2021 zu schaffen ist, erscheint fraglich. „Es könnte ja auch sein, dass der Desoxy-Zucker bisher nicht bekannte Nebenwirkungen zeigt“, dämpft Brilisauer allzu große Erwartungen. „Dann könnte auch schon nach ein paar Monaten eine Anwendung im Feld ausgeschlossen werden.“ [vef]

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