Angesichts sinkender Erträge bei der Weizenernte will Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) künftig stärker auf gentechnisch veränderte Pflanzen setzen. Sie nennt sie allerdings nicht so. Wenn das Erbgut von Pflanzen mit der Crispr-Technologie verändert werde, sei das eine „neue Züchtungsmethode“, sagte sie heute in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe.
Die grüne Gentechnik – also ihr Einsatz in der Landwirtschaft – werde in Deutschland nicht akzeptiert, konstatierte die Ministerin. „Das muss man hinnehmen.“ Mit dem Crispr-Verfahren, auf das sie große Hoffnungen setze, könne man das Erbgut von Pflanzen aber gezielter und schneller positiv beeinflussen, als das durch klassische Züchtung gehe, behauptete die Ministerin. Die Interviewer wunderten sich: „Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stuft auch das als Gentechnik ein“, hielten sie der Ministerin entgegen. Darauf Klöckner: „Damit müssen wir umgehen.“
Damit umschreibt sie, was sie von dem Urteil der obersten europäischen Richter hält: nichts. Bereits im September 2018 hatte sie es als „sachlich falsch“ bezeichnet, die Crispr-Technologie mit der Gentechnik „in einen Topf zu werfen“, wie es der EuGH im Juli getan hatte. Schon damals sprach sie davon, dass Gesetze geändert werden könnten, und wollte die Diskussion auf europäischer Ebene vorantreiben. Dass sie das jetzt kurz vor der Europawahl tut, ist vermutlich kein Zufall. Wobei sich die CDU in ihrem EU-Wahlprogramm nicht zum Thema Gentechnik positioniert. Klöckner bläst damit aber ins gleiche Horn wie der sozialdemokratische EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis. Er hatte Ende März gesagt, die „neuen Pflanzenzüchtungstechniken“ brauchten eine neue EU-Gesetzgebung, welche die neuesten Technologien berücksichtige. Gegenüber dem Nachrichtenportal Euractiv ergänzte Andriukaitis, dass sie von der neuen Europäischen Kommission nach den EU-Wahlen im Mai geregelt werden sollten.
Auch der stellvertretende Vorsitzende des Agraraussschusses im Europäischen Parlament erwartet in der nächsten Legislaturperiode eine solche Diskussion. „Das nächste Parlament wird bald feststellen, dass nach dem Urteil des EuGH eine erneute Gesetzgebung zu diesem Thema erforderlich sein wird“, prognostizierte Paolo De Castro, der nicht mehr kandidieren will. Der genetische Schutz von Pflanzen werde in der Landwirtschaft der Zukunft immer wichtiger werden – wichtiger als die Chemie, so der Sozialdemokrat gegenüber Euractiv.
Wie Ministerin Klöckner ist er der Ansicht, dass neue Technologien wie Crispr-Cas dazu beitragen könnten, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. So könnten auch die Umweltauswirkungen der Landwirtschaft eingedämmt und damit der Klimawandel verlangsamt werden. Umweltschützer in Parteien und Verbänden glauben das nicht. „Julia Klöckner, wie immer in holder Eintracht mit dem Bauernverband, verbreitet nun auch die Nebelkerze der Gentech-Industrie, dass Crispr-Pflanzen die Landwirtschaft klimafreundlicher machen“, twitterte der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling. Er hält das für „Unsinn“ und verweist auf eine Studie im Auftrag der Grünen zum „Mythos der klimasmarten Landwirtschaft“, die im Oktober 2018 vorgestellt wurde. Wie der Informationsdienst Gentechnik berichtete, weisen auch andere Forschende immer wieder darauf hin, dass Gentechnikbefürworter seit 30 Jahren versprechen, klimaangepasste Pflanzen zu entwickeln. Bis heute stammen diese jedoch fast ausschließlich aus konventioneller Zucht. [vef]