Weitere Monsanto-Soja vor der EU-Zulassung (Foto: Franz Haindl, pixelio.de)

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Europa: Mehrheit der Agrarminister will Gentechnikrecht überarbeiten

Eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) hat sich beim Agrarrat am Dienstag dafür ausgesprochen, dass die nächste Europäische Kommission das Gentechnikrecht zeitnah entsprechend der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen überarbeiten soll. Das sei eine Konsequenz aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Juli 2018, sagte EU-Agrarkommissar Phil Hogan nach dem Treffen.

Die Frage, ob dabei neue gentechnische Verfahren wie Crispr-Cas9 als Gentechnik reguliert bleiben sollen, ist in Europa wie in Deutschland weiter umstritten. Während etwa Holland auf das Potential neuer Züchtungstechniken verwies und die Regeln gerne lockern würde, plädierte der polnische Agrarminister nach Medienberichten dafür, die geltenden Regeln beizubehalten. Die Polen seien den neuen Technologien gegenüber sehr kritisch eingestellt und mit der geltenden Regulierung zufrieden.

„Die Bundesregierung ist der Meinung, dass das EuGH-Urteil mehr Klarheit in den rechtlichen Status von mit Neuen Züchtungstechnologien gewonnenen Lebens- und Futtermitteln gebracht hat“, berichtete Agrarstaatssekretär Hermann Onko Aeikens seinen europäischen Kollegen laut Pressestelle. „Jedoch bringt die Entscheidung auch Fragen und Herausforderungen mit sich.“ Diese Herausforderungen, da sei er sich mit dem Bundesumweltministerium einig, müsse Europa gemeinsam diskutieren und anpacken. Der EuGH hatte im Juli 2018 entschieden, dass die oft unter der Bezeichnung „Genome Editing“ zusammengefassten neuen gentechnischen Verfahren unter das geltende Gentechnikrecht fallen.

Pflanzen und Tiere, die mit diesen Verfahren verändert wurden, können aber nur entsprechend kontrolliert werden, wenn es Strategien und Techniken zur Identifizierung, Kennzeichnung und Kontrolle sowie entsprechende Datenbanken gibt. Es müsse jetzt daran gearbeitet werden, diese weiterzuentwickeln, sagten deutsches Agrar- und Umweltministerium unisono. „Gleichzeitig benötigen wir in Zukunft Züchtungserfolge sowie Pflanzen, die resilienter gegen extreme Wetterbedingungen sind“, äußerte Agrarstaatssekretär Hans-Joachim Fuchtel gestern auch im Bundestag. „Dabei müssen das Vorsorgeprinzip sowie ein hoher Standard im Verbraucher- und Umweltschutz aufrechterhalten werden.“

Soweit die gemeinsame Position. Über die Frage, ob und wie die neuen Technologien eingesetzt, gefördert und reguliert werden sollen, wird in der Bundesregierung weiter heftig diskutiert. Der Meinungsbildungsprozess dazu sei noch nicht abgeschlossen, hieß es auch heute. Das SPD-geführte Umweltministerium lehne es ab, die neuen Gentechniken aus der europäischen Freisetzungsrichtlinie für gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere herauszunehmen, wie es Holland vorschlägt, teilte die Pressestelle mit. Das geltende europäische Gentechnikrecht wahre das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit der Bürger und entspreche damit dem Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD.

Während Agrarministerin Klöckner (CDU) durch das EuGH-Urteil den Fortschritt in der Pflanzenzüchtung gefährdet sieht, hat für Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) die konventionelle Züchtung mit einem angepassten Anbaumanagement die größeren Erfolgsaussichten. Schulze wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass die Risiken beim Einsatz der neuen Gentechniken aufgrund der hohen Eingriffstiefe noch nicht abschätzbar sind und zwingend noch ermittelt werden müssen.

Auch das gen-ethische Netzwerk hob hervor, dass die neuen Gentechnikverfahren andere Risiken bergen als die klassische Mutationszüchtung. So würden durch die neuen Verfahren an praktisch allen Orten im Genom Veränderungen möglich, erläuterte Christof Potthof. Veränderungen könnten so eine deutlich größere Tragweite bekommen. „Es muss verhindert werden, dass die aktuellen Versuche, die Gentechnik-Regulierung aufzuweichen, erfolgreich sind", forderte der Biologe.

Das will auch die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Bundestag. Die Bundesregierung solle sich dafür einsetzen, dass die europäische Freisetzungsrichtlinie auch künftig für die neuen gentechnischen Verfahren gilt, heißt es in einem Antrag an das Parlament, der im nächsten Agrarausschuss beraten werden soll. Das bedeutet, dass die Risiken dieser Verfahren bewertet sowie ihre Produkte zugelassen und gekennzeichnet werden müssen. Das gleiche Ziel hat der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland BUND: „Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie Deregulierungsbestrebungen auf europäischer Ebene entschieden entgegen tritt“, so die Abteilungsleiterin Biodiversität Silvia Bender. Das EuGH-Urteil gewährleiste für die neuen Gentechnikverfahren Wahlfreiheit und Vorsorgeprinzip. Die Europäische Union müsse dieses Urteil jetzt umsetzen.

Die europäischen Akteure sind vorerst allerdings mit der Europawahl beschäftigt. Die amtierende EU-Kommission sieht ihre Aufgabe nur noch darin, ihrer Nachfolgerin fundierte Daten für eine Entscheidung zu hinterlassen, sagte Agrarkommissar Phil Hogan nach der Sitzung des Agrarrats. Man habe auch noch ein unabhängiges Gutachten zu Genome Editing in Auftrag gegeben. Hogan geht davon aus, dass die nächste EU-Kommission das Gentechnikrecht mit hoher Priorität anpacken wird. [vef]

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