Die scheidende Europäische Kommission hat sieben neue Ackerpflanzen als Lebens- und Futtermittel genehmigt, die teils mehrfach gentechnisch verändert (gv) wurden, darunter allein fünf Maissorten. Bei zwei Gentech-Pflanzen verlängerte sie die Zulassung. Mehr als 40 Verbände hatten die Kommission Ende Mai aufgefordert, die GVO nicht vor dem Ende ihrer Amtszeit noch schnell durchzuwinken, sondern ihre Risiken sorgfältig zu prüfen.
Wie die EU-Kommission Ende Juli mitteilte, dürfen neben dem Mais eine neue Sojalinie und eine gv-Baumwolle für zehn Jahre als Lebens- oder Futtermittel in die Europäische Union (EU) importiert werden. Sie alle sind gegen Herbizide resistent oder produzieren Insektengifte. Das gleiche gilt für einen Ölraps und eine Maislinie, deren Zulassung verlängert wurde. Die zehnte im Bunde ist eine gentechnisch veränderte Nelke, die als Schnittblume auf den Markt kommen soll. Der Anbau all dieser Pflanzen ist in der EU verboten.
In ihrer Medieninformation wies die Kommission darauf hin, dass die Pflanzen ein umfangreiches Zulassungsverfahren durchlaufen haben und von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA geprüft wurden. Die EU-Mitgliedsstaaten hatten auch in den zuständigen Ausschüssen über die Zulassungen beraten, hatten aber keine qualifizierte Mehrheit dafür oder dagegen gefunden. Deshalb musste die EU-Kommission am Ende die Entscheidung selbst treffen. Die importierten gv-Pflanzen müssen gekennzeichnet werden und rückverfolgbar sein.
Gentechnikkritische Organisationen warnten, dass damit jetzt unkalkulierbare Gefahren für die menschliche Gesundheit drohen. Denn es sei nicht ausreichend untersucht worden, was im Körper passiert, wenn Produkte aus diesen Pflanzen verzehrt werden. So wies Testbiotech darauf hin, dass die Sojabohnen der Firma Bayer/Monsanto (MON87751), die Insektengifte produzieren, im Verdacht stehen, Allergien auszulösen oder sie zu verstärken. Der Verein warnt ferner vor dem Mais MON87411, der eine sogenannte doppelsträngige RNA (dsRNA) produziert. Diese Moleküle können in Genregulation und Zellstoffwechsel eingreifen und Insekten töten, wenn sie von den Pflanzen fressen. Wie die Moleküle auf Mensch und Umwelt wirken, sei derzeit nicht abschätzbar, so Testbiotech.
Die Initiative „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ (CBG) bezweifelte, dass es die EU-Kommission interessiert hat, ob die Insektengifte dieser Maislinien Bienen, Schmetterlinge oder andere Tiere gefährden. Sie vermisste ferner Untersuchungen dazu, ob die Gentech-Pflanzen unter Stress-Bedingungen wie extremen Wetter-Lagen mehr Gift-Stoffe als sonst absondern. „Die EU hat ihre Pflichten gegenüber Mensch, Tier und Umwelt sträflich vernachlässigt“, kritisierte CBG-Vorstandsmitglied Axel Köhler-Schnura.
Der Geschäftsführer von Testbiotech, Christoph Then, appellierte an die Präsidentin der künftigen EU-Kommission, Ursula von der Leyen, den Schutz von Umwelt und Gesundheit wichtiger zu nehmen als die Interessen großer Konzerne und der US-Wirtschaft. Zugleich befürchtet er allerdings, dass der noch amtierende Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis vor dem Ende seiner Amtszeit Ende Oktober weitere neue Gentech-Pflanzen zulassen könnte. Sogar für den Anbau von gv-Mais in der EU laufen demnach bereits Anträge. [vef]