Die Bundesregierung hat ein Aktionsprogramm Insektenschutz beschlossen. Es sieht vor, die Anwendung glyphosathaltiger Pestizide bis 31. Dezember 2023 verbindlich zu beenden. Umweltverbände kritisieren den späten Ausstiegstermin, Grüne warnen vor einem möglichen „Kuhhandel“.
Ende 2023 sei der „europarechtlich frühestmögliche Zeitpunkt“, begründete Bundesumweltministerin Svenja Schulze den Termin. Sie wies darauf hin, dass der Einsatz von Glyphosat schon vorher deutlich eingeschränkt werde. Das Aktionsprogramm nennt dazu „Anwendungsverbote im Haus- und Kleingartenbereich und für Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, sowie ein Verbot der Anwendung vor der Ernte und deutliche Beschränkungen der Anwendung vor der Aussaat und nach der Ernte“. Allerdings ist für die dafür notwendige Verordnung im Aktionsprogramm kein fester Termine vorgesehen. Verbieten will die Bundesregierung ab 2021 die Anwendung von Glyphosat und anderen Pestiziden „mit besonderer Relevanz für Insekten in ökologisch besonders schutzbedürftigen Bereichen“. Vom Tisch ist die zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerium umstrittene Auflage, dass Landwirte Ausgleichsflächen bereitstellen müssen, wenn sie Pestizide einsetzen, die die Artenvielfalt gefährden. Im Aktionsprogramm ist nur noch unverbindlich von einem „Refugialflächenansatz“ die Rede, der negative Auswirkungen bestimmter Pestizide auf die Biodiversität kompensieren soll.
Als „unkonkret, unambitioniert und unzureichend“ kritisierte Olaf Bandt, Geschäftsführer für Politik und Kommunikation beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), das Aktionsprogramm. Der späte Glyphosat-Ausstieg sei „ein Rückschlag für den Insektenschutz“. Die Bundesregierung sei vor der Agrar-Lobby eingeknickt, kritisierte die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG). Der Ausstieg sei eine Mogelpackung, da die Bundesregierung einfach abwarte, bis die EU-Zulassung auslaufe. CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura verwies auf die EU-Bestimmung, wonach das Verbot einer Agro-Chemikalie möglich sei, wenn es neue Erkenntnisse über deren Gefährlichkeit gebe. Österreich sei diesen Weg gegangen und habe als erster EU-Staat Glyphosat verboten.
Der Industrieverband Agrar, der Bauernverband und Bayer als Hersteller kritisierten, dass die Bundesregierung mit ihrem Ausstiegstermin einer möglichen neuen Glyphosat-Zulassung auf EU-Ebene eine Absage erteile. Gleichzeitig erklärte Bayer, ein Verbot akzeptieren zu wollen. „Man respektiere, dass es in einigen europäischen Ländern den Wunsch der Politik gebe, den Einsatz von Glyphosat zu reduzieren“, zitierte der Tagesspiegel Bayer Agrarvorstand Liam Condon. Gleichzeitig will der Konzern die Wiederzulassung von Glyphosat nach 2022 vorantreiben. Der Tagesspiegel interpretierte Condons Äußerungen so: „Wenn sich nach dem Jahr 2022 einzelne EU-Länder für ein Glyphosat-Aus entscheiden, wird Bayer das akzeptieren und nicht dagegen vorgehen.“ Harald Ebner, Gentechnik-Sprecher der Bundestagsgrünen, warnte vor einem „Kuhhandel wie bei der Gentechnik.“ Um den EU-Staaten 2022 eine weitere Zulassung abzuhandeln, wolle Bayer es einzelnen Staaten „gönnerhaft freistellen, dafür national die Verwendung aus sogenannten ‚politischen Gründen’ einschränken zu dürfen“. Das sei „ganz und gar widersinnig“, Glyphosat müsse aus Gründen des Gesundheits- und Umweltschutzes vom Markt. [lf]