Das europäische Parlament hat die EU-Kommission heute aufgefordert, die Leitlinie zum Schutz der Bienen vor Pestiziden von 2013 endlich vollständig umzusetzen. Die Änderungspläne, an denen die EU-Kommission aktuell arbeite, blieben hinter dem ursprünglichen Standard zurück, kritisierte der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling. Naturschützer warfen der EU-Kommission vor, dem Druck der Industrie nachgegeben zu haben.
Schon vor sechs Jahren hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wissenschaftliche Leitlinien zum Schutz der Bienen erarbeitet. Sie machte Vorschläge, wie bei der Zulassung geprüft werden sollte, ob Pestizide für Bienen und andere Insekten kurz- oder langfristig toxisch wirken. Auch wenn die Bienen durch das Gift erkranken, ohne gleich zu sterben, sollte das berücksichtigt werden, lobte der Imker Thomas Radetzki, Vorstand der Aurelia-Stiftung. Diese Leitlinien wurden von den EU-Mitgliedsstaaten aber bis heute nicht formal in Kraft gesetzt, da die nötige Mehrheit fehlte. Jetzt sei die Leitlinie von der EU-Kommission auf Druck der Industrie zurückgenommen worden, kritisierte Radetzki am Montag im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags.
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, hatten die EU-Mitgliedsstaaten der EFSA im Sommer mehrheitlich den Auftrag erteilt, die Leitlinie zu überarbeiten. Kritiker sagen: abzuschwächen. Im neuen Entwurf würden etwa die sogenannten „subletalen Effekte“, also Pestizidwirkungen, die nicht unmittelbar zum Tod führen, nicht mehr berücksichtigt. Außerdem fehlten klare Vorgaben zur Bewertung der Langzeitwirkung von Pestiziden für Bienen, kritisierte Häusling. Das europäische Parlament hat die EU-Kommission jetzt aufgefordert, einen neuen Verordnungsvorschlag auf den Tisch zu legen. Und Häusling appelliert an die EU-Mitgliedsstaaten, „sich der vollständigen Umsetzung der Bienenleitlinien nicht länger zu verweigern.“
Auch in Deutschland sprießen die Initiativen zum Bienenschutz inzwischen wie Pilze aus dem Boden. Nach Bienen-Volksbegehren in Bayern und Baden-Württemberg hat Imker Radetzki mit mehr als 70.000 Unterstützern eine Petition zum Schutz der Bienen vor Pestizidgefahren gestartet. Sie fordert unter anderem, neue Prüfstandards für Pestizide zu erarbeiten, die Bienen auch vor subletalen Schäden durch Pestizide schützen. Ferner sollen sie sogenannte „Cocktaileffekte“, also die Anreicherung einer Vielzahl verschiedener Pestizide in der Umwelt berücksichtigen.
Ähnliche Forderungen fanden sich in einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/die Grünen im deutschen Bundestag, der heute allerdings im Agrarausschuss von der Regierungsmehrheit abgelehnt wurde. Warum, so fragte der grüne Pestizidexperte Harald Ebner im Petitionsausschuss, habe die Bundesregierung einer Abschwächung der Bienenleitlinie in Brüssel zugestimmt, wenn Agrarministerin Klöckner es als ihr Ziel bezeichnete, die Pestizidzulassung schnellstmöglich an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen? Die Bundesregierung habe nicht zugestimmt, entgegnete Agrarstaatssekretär Michael Stübgen. Sie arbeite weiter daran, eine Mehrheit unter den Mitgliedsstaaten zu finden, um das genannte Ziel zu erreichen.
Thomas Radetzki mahnte zur Eile: Wenn die Probleme weiter verschleppt würden, werde das Insektensterben unvermindert weitergehen, warnte der Imker. Der Zoologe Randolf Menzel verwies darauf, dass bereits 15 neue Insektizide „auf der Basis des unvollständigen Kontrollsystems“ zugelassen worden seien. Dabei habe eine Studie in Frankreich ergeben, dass weniger Pestizide nicht zu weniger Ertrag führen würden. Stattdessen hoffen die Bienenschützer auf mehr lebensfähige Insekten und ein funktionierendes Ökosystem. [vef]