EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides soll bis April 2021 eine Untersuchung über neue gentechnische Verfahren und deren Regulierung vorlegen. In einem ersten Schritt hat sie Interessenvertreter eingeladen, mit ihr über das Design dieser Studie zu reden. Die meisten von ihnen kommen aus der Industrie, bemängeln die Lobby-Kontrolleure von Corporate Europe Observatory.
Für den 10. Februar hat die Generaldiretion Gesundheit Verbände zu einer Anhörung eingeladen, die ein Interesse an neuen gentechnischen Verfahren haben oder von dem Thema betroffen sind. Besprochen werden soll an diesem Termin ein Fragebogen, mit dessen Hilfe dann bis Ende April die Positionen der einzelnen Organisationen erfasst werden sollen. Da Inhalt und Art der Fragestellung das Ergebnis wesentlich beeinflussen können, kommt diesem Vorbereitungstermin wesentliche Bedeutung bei.
Corporate Europe Observatory (CEO) hat die von der Generaldirektion veröffentlichte Liste der geladenen Organisationen analysiert: „Von 94 geladenen Verbänden vertreten über 70 Prozent die Interessen der industriellen Land- und Lebensmittelwirtschaft“, schreibt CEO-Expertin Nina Holland auf Euractiv. Dagegen seien nur 11 Organisationen eingeladen worden, die Interessen der Zivilgesellschaft wie Umwelt- und Verbraucherschutz vertreten. Das sind weniger als 12 Prozent. Detailliert listet Holland in ihrem Artikel auf, dass die Interessen der großen Gentechnikkonzerne von sechs Industrievereinigungen vertreten würden, in denen sie Mitglied seien. Einzelne Konzerne wären zudem in weiteren Lobbyverbänden aktiv. Eingeladen habe die Generaldirektion auch zahlreiche Organisationen, die einzelne Sparten der Land- und Lebensmittelwirtschaft vertreten, von den Fischverarbeitern bis zu den Landmaschinenherstellern. Dagegen seien biologische Landwirtschaft und Kleinbauern nur mit drei Organisationen vertreten. „Und das, obwohl die neue Kommission öffentlich erklärt hat, dass sie die ökologische Landwirtschaft fördern würde“, merkt Holland an. „Eine derart voreingenommene Konstellation gibt Anlass zu der Sorge, dass die Studie so angelegt wird, dass sie zu einem vorher festgelegten Ergebnis führt“, lautet das Fazit der Lobby-Expertin.
Nina Holland ermahnt die Kommission, „der in Brüssel leider alltäglichen Vereinnahmung von Entscheidungen durch Unternehmen“ endlich ein Ende zu setzen. Ansonsten hätten die ehrgeizigen Pläne der neuen Kommission wie der europäische Green Deal und die Landwirtschaftsstrategie Farm to Fork keine Chance erfolgreich zu sein. Statt weiter auf die Lobbyisten zu hören sollte sich die Kommission mit unabhängigen Experten beraten. Diese hätten seit der Vorlage des „bahnbrechenden“ Weltagrarberichts 2008 „fundierte Vorschläge für den dringend erforderlichen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft veröffentlicht.“ [lf]