Ein Politologe hat analysiert, wie das US-Unternehmen Cibus in den Jahren 2011 bis 2015 versuchte, eine Anbaugenehmigung für seinen mit neuer Gentechnik veränderten Raps zu bekommen. Es wandte sich gezielt an nationale Behörden, von denen es Verständnis und Entgegenkommen erwartete. Auch die öffentlichkeitsscheue Arbeitsweise dieser Behörden spielte eine wichtige Rolle. Gefragt war damals auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.
Der untersuchte Fall: Cibus hatte mit Hilfe eines der ersten neuen gentechnischen Verfahren, der Oligonukleotid-Technik, einen herbizidresistenten Raps hergestellt. In den Jahren 2011 bis 2014 versuchte das Unternehmen, für den Raps eine Anbaugenehmigung in der EU zu bekommen, ohne ein Zulassungsverfahren nach Gentechnikrecht. Dazu umging es gezielt die EU-Ebene und wählte sechs nationale Behörden in Finnland, Spanien, Großbritannien, Schweden, Irland und Deutschland aus. „Zwei Faktoren scheinen die Entscheidungen von Cibus für diese Länder beeinflusst zu haben: hochrangige politische Unterstützung für die Agrobiotechnologie und die hohe Relevanz der Biotechnologiesektoren in diesen Ländern“, schrieb der Politologe Ulrich Hartung in seiner Studie. Wichtig sei auch gewesen, dass diese Behörden ziemlich abgeschottet nach außen arbeiten. Diese institutionelle „Geschlossenheit" habe für Cibus das Risiko vermindert, dass der Vorstoß zur Deregulierung öffentlich werden und eine Debatte auslösen könnte. Im Falle des deutschen Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) kam laut Hartung noch ein wesentlicher Auswahlfaktor hinzu: Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) hatte bereits 2012 ein Gutachten zur Einstufung neuer gentechnischer Verfahren vorgelegt und dabei für deren weitgehende Freigabe plädiert. Der von Cibus beauftragten Agentur sei klar gewesen, dass im Falle einer Anfrage das BVL die ZKBS um eine Stellungnahme bitten und diese positiv ausfallen würde.
Was die von Cibus beauftragte Agentur unterschätzt hatte, war die starke gentechnik-kritische Bewegung in Deutschland. Als bekannt wurde, dass das BVL den Anbau von Cibus-Raps ohne Risikoabschätzung und Überwachung zugelassen hatte, erhob sich ein Proteststurm. Die BVL-Genehmigung wurde vor Gericht angefochten und die EU-Kommission pfiff das BVL und die anderen nationalen Behörden zurück. Sie stellte klar, dass Cibus eine EU-einheitliche Regelung abwarten müsse. Diese Regelung kam dann allerdings nicht durch die Kommission, sondern durch den Europäischen Gerichtshof. Er stellte klar, dass mit neuen gentechnischen Verfahren hergestellte Organismen dem Gentechnikrecht unterliegen. Als Folge davon zog das BVL seine Cibus-Zulassung zurück. Angebaut wird dieser Raps derzeit in den USA und Kanada unter dem Markennamen Falco.
Für Alexander Hissting, Geschäftsführer des Verbandes Lebensmittel Ohne Gentechnik (VLOG), zeigt die Studie exemplarisch zwei Schwächen des EU-Zulassungsrechts bei gentechnischen Verfahren auf: „Unternehmen können sich die nationale Behörde ausssuchen, bei der sie einen Zulassungsantrag einreichen.“ Diese Behörde habe dadurch einen starken Einfluss auf die weitere Bearbeitung des Antrags. „Es ist verständlich, dass sich kein Unternehmen eine Behörde aussucht, die als besonders streng und korrekt bekannt ist“, sagt Hissting. Die zweite Schwäche sei die Abschottung mancher nationalen Behörde gegenüber der Öffentlichkeit. „Genehmigungsverfahren müssen transparent sein, vom Antrag über die eingereichten Studien bis hin zur Begründung einer Entscheidung und zu den möglichen Interessenkonflikten beteiligter Mitarbeiter“, fügt Hissting hinzu. [lf]