Im Rechtsstreit um die krebserregende Wirkung des Herbizids Glyphosat hat sich die Bayer AG in den USA mit den Klägern auf einen Vergleich geeinigt. Er wird den Konzern bis zu 10,9 Milliarden US-Dollar kosten, das entspricht 9,8 Milliarden Euro. Auch die Klagen um die durch das Herbizid Dicamba verursachten Ernteschäden hat der Konzern beigelegt. Kosten: 400 Millionen US-Dollar, das sind 360 Millionen Euro.
Wie Bayer mitteilte, würden durch den Vergleich 75 Prozent der aktuellen Glyphosat-Verfahren zum Abschluss gebracht, mit insgesamt etwa 125.000 eingereichten und geplanten Klagen. Gleichzeitig enthalte der Vergleich Leitlinien, wie mögliche künftige Klagen ohne weitere Gerichtsverfahren beigelegt werden sollen. Für die aktuellen Fälle werde das Unternehmen 8,8 Milliarden bis 9,6 Milliarden US-Dollar zahlen. Weitere 1,25 Milliarden US-Dollar will Bayer bereitstellen, „um eine separate Vereinbarung für potenzielle künftige Klagen zu ermöglichen“, heißt es in der Mitteilung. Sowohl Bayer als auch die Kläger-Anwälte begrüßten die Einigung.
Angeordnet hatte die Vergleichsverhandlungen der US-Richter Vince Chhabria bereits im April 2019. Er ernannte den US-Anwalt Ken Feinberg zum Mediator, einen ausgewiesenen Experten für solche Fälle. Bei Chhabria waren 760 Klagen anhängig und in einem ersten Musterprozess hatte eine Jury Bayer zu 71 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt. Auch vor zwei anderen US-Gerichten kamen die Geschworenen in Musterprozessen zu einem klaren Urteil: Glyphosathaltige Herbizide wie Roundup verursachten Lymphdrüsenkrebs und die Bayer-Tochter Monsanto habe diese Risiken absichtlich verschwiegen. Bayer hatte in allen drei Fällen Berufung eingelegt und diese Verfahren sollen auch zu Ende geführt werden, teilte der Konzern mit. Sie seien nicht Teil des Vergleichs. Der Konzern hofft, dass die Jury-Schuldsprüche in der Berufung abgeschwächt oder aufgehoben werden. Er wies darauf hin, dass kürzlich ein US-Bundesgericht die Forderung des Bundesstaates Kalifornien nach einer Krebswarnung für glyphosatbasierte Herbizide als unrechtmäßig einkassiert hatte. Bayer legt Wert darauf, dass der Vergleich „keinerlei Eingeständnis einer Schuld oder eines Fehlverhaltens“ enthalte. Das ist die in solchen Fällen übliche Klausel, ohne die solche Vereinbarungen nicht zustande kämen.
Einen Vergleich gab es auch bei den über 100 Klagen, in denen US-Landwirte Schadenersatz fordern, weil das Herbizid Dicamba ihre Ernte geschädigt habe. In einem ersten Prozess im Februar 2020 waren Bayer und BASF zu 245 Millionen Euro Schadenersatz und Strafe verurteilt worden. Die Jury kam aufgrund der vorgelegten Beweise und Aussagen zu dem Ergebnis, die beiden Konzerne hätten bewusst das Risiko in Kauf genommen, dass das leichtflüchtige Dicamba durch Verwehungen andere Landwirte schädigen könne. Auch diesen Beispielfall hat Bayer aus dem Vergleich ausgenommen und will in Berufung gehen. Der Konzern erwartet, dass sich die mitangeklagte BASF an den Kosten des Vergleichs beteiligt.
Bei diesem juristischen Großreinemachen hat Bayer noch einen weiteren mit Monsanto eingekauften Komplex an Schadenersatzklagen beigelegt. Dabei geht es um Wasserversorgungen, die durch die von Monsanto bis 1977 hergestellte schwer abbaubare und krebserregende Chemikalie PCB (Polychlorierte Biphenyle) verunreinigt sind. 740 Millionen Euro wird Bayer zahlen, um anhängige und kommende Klagen beizulegen. [lf]