Das International Life Sciences Institute (ILSI) präsentiert sich gerne als gemeinnützige Organisation, die sich für die öffentliche Gesundheit engagiert. In Wirklichkeit ist sie eine der effektivsten Lobbyorganisationen der Ernährungsindustrie und der Gentechnikkonzerne. Das belegen einmal mehr zwei kürzlich erschienene Arbeiten.
Politikwissenschaftler aus Cambridge und Mailand hatten Akten ausgewertet, die von der Organisation U.S. Right to Know bereitgestellt worden waren. Diese hatte 2015 bis 2018 fünf Anfragen nach dem Freedom of Information Act gestellt und 15.000 Seiten Akten erhalten, die den Austausch von ILSI mit vier Universitäten dokumentierten: Texas A&M, University of Illinois, University of Colorado and North Carolina State University.
Die Wissenschaftler entdeckten in den ausgewerteten E-Mails ein Aktivitätsmuster. ILSI versuche „die Glaubwürdigkeit von Wissenschaftlern und Akademikern auszunutzen, um die Positionen der Industrie zu stärken und von der Industrie erarbeitete Inhalte in Sitzungen, Zeitschriften und anderen Aktivitäten unterzubringen“. Beispielhaft beschreibt die Studie, wie ein Professor aus Illinois und ein hochrangiger Monsanto-Manager sich darüber verständigten, dass die Industriemitarbeiter zwar Inhalte für Studien liefern und diese gegenlesen können, aber nicht als Co-Autoren aufgeführt werden sollten. Denn das würde die Glaubwürdigkeit der Publikationen gefährden. Allein 2012 spendete Monsanto laut der Studie 500.000 US-Dollar an ILSI. Ein Jahr später standen auch Bayer, BASF und Syngenta mit jeweils über 100.000 US-Dollar auf der Unterstützerliste.
Die Wissenschaftler kamen auch zu dem Ergebnis, ILSI habe aktiv versucht, unerwünschte Positionen an den Rand zu drängen. Sie schlossen daraus, dass diese „unzulässige Einflussnahme der Industrie durch Dritte wie ILSI“ ein verbessertes Management von Interessenkonflikten durch die Forscher erfordere. Sie verlangten, ILSI als privatwirtschaftliche Einrichtung und nicht als unabhängige, wissenschaftliche Non-Profit-Organisation einzuordnen.
Diese Forderung erheben europäische Lobby-Beobachter wie Corporate Europe Observatory (CEO) seit Jahren. CEO hatte bereits 2011 veröffentlicht, dass fünf der von der EU-Lebensmittelbehörde EFSA berufenen Gentechnik-Experten enge Verbindungen zu ILSI hatten. Noch stärker war damals der Einfluss von ILSI in dem für Pestizidbewertung zuständigen EFSA-Gremium.
Die US-Organisation Corporate Accountability hat für einen Bericht zusammengetragen, wie ILSI die amtlichen Ernährungsempfehlungen in den USA (Dietary Guidelines for Americans) beeinflusst. Diese Empfehlungen werden alle fünf Jahre von einem vom US-Kongress eingesetztes Experten-Gremium überarbeitet. Bereits seit dem Jahr 2000 habe die Mehrheit dieser Experten enge Verbindungen zu ILSI, heißt es in dem Bericht. Aktuell hätten 15 der 20 Gremiumsmitglieder direkte Verbindungen zur Industrie oder seien von Gruppen nominiert worden, die von der Industrie unterstützt werden. Der Bericht stellt diese Mitglieder vor und beschreibt, welche Rolle sie bei der laufenden Überarbeitung der Empfehlungen für die Jahre 2020-2025 spielen. Auch die Rolle, die ILSI bei der Erarbeitung von Ernährungsempfehlungen in Südamerika und Indien spielt, wird beleuchtet.
ILSI wurde 1978 von einem früheren Vizepräsidenten von Coca-Cola gegründet. Mehrfach leiteten hochrangige Mitarbeiter des Konzerns die Organisation. Die Gelder kamen sowohl von Lebensmittel- als auch von Gentechnikkonzernen, deren Interessen das ILSI ebenfalls offensiv vertritt. Anfang des Jahres beendete Nestlé stillschweigend seine Mitgliedschaft bei ILSI. Auch Süßigkeitenhersteller Mars hat die Organisation verlassen. [lf]