„Genome Editing in Europa: neue Agenda oder neue Auseinandersetzungen?“ war das Thema einer Online-Konferenz, zu der die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Deutsche Forschungsgemeinschaft eingeladen hatten. Auseinandersetzungen gab es dabei kaum, denn die Podien waren ziemlich einseitig besetzt. Wenig erstaunlich, denn die beiden Organisationen hatten bereits im letzten Jahr in einer Stellungnahme deutlich gemacht, dass sie das EU-Gentechnikrecht gerne geändert hätten.
Drei der vier Sessions der zweitägigen Konferenz dienten vor allem dazu, den Wunsch der interessierten Wirtschafts- und Wissenschaftskreise nach einer Deregulierung des Genome Editing zu untermauern. Lediglich eine Session war den sozio-ökonomischen und ökologischen Bedenken gewidmet – allerdings mit dem im Programm formulierten Ziel „die Vorteile neuer molekularer Züchtungsmethoden und ihrer Produkte aufbauend auf den Erfahrungen mit konventioneller genetischer Züchtung in den letzten drei Jahrzehnten angemessen zu berücksichtigen“. Monika Messner vom Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) stellte in diesem Umfeld die Position des Ökolandbaus zur Neuen Gentechnik vor und machte klar, dass deren Deregulierung einen massiven Glaubwürdigkeitsverlust für den Ökolandbau bedeuten würde. Sie war die einzige dezidiert gentechnik-kritische Stimme auf dieser Konferenz. Die teilnehmende grüne Europa-Abgeordnete Viola von Cramon hatte ein Impulspapier mit unterzeichnet, in dem einige grüne Forschungspolitiker für eine Deregulierung der neuen Gentechnik argumentiert hatten. Im Parlament ist sie vor allem als Außenpolitikerin und Haushaltskontrolleurin tätig und hat mit Agro-Gentechnik wenig zu tun.
Mit Gentechnik-Regulierung zu tun hat dagegen Sabine Jülicher, EU-Direktorin für Lebensmittelsicherheit im Generaldirektorat Gesundheit. Sie ging in ihrem Statement auf die Studie zur Neuen Gentechnik ein, die die EU-Kommission im April 2021 vorlegen will. Diese verfolge einen sehr breiten Ansatz und befasse sich mit den Chancen und Bedenken ebenso wie mit ethischen Aspekten, sagte Jülicher. Sie erwähnte den zugrundeliegenden Beschluss, der es der Kommission nahelegt, aus den Studienergebnissen Konsequenzen zu ziehen und rechtliche Vorschläge zu machen. Sie stellte klar, dass zuerst die Studienergebnisse vorgestellt würden und erst danach die Diskussion anstehe, ob der rechtliche Rahmen geändert werden müsse.
Der Verein Testbiotech bezeichnete die Konferenz als „Lobbyveranstaltung im Kleid der Wissenschaft“. Testbiotech-Geschäftsführer Christoph Then erneuerte bei dieser Gelegenheit seine Kritik an der Stellungnahme von Leopoldina und DFG. Sie sei viel zu einseitig und stelle die technischen Potentiale und Risiken der Neuen Gentechnik nicht ausreichend dar. Then kritisierte erneut, dass mehrere der an der Stellungnahme beteiligten Experten selbst Patente im Bereich der Gentechnik angemeldet hätten und manche dabei auch mit Konzernen wie Bayer kooperierten. Er verwies auf eine im August in Environmental Sciences Europe erschienene Übersichtsarbeit (bei der er Mitautor ist), die die bisher bekannten Risiken bei der Anwendung von Crispr/Cas auflistet und belegt. [lf]