Bereits vor eineinhalb Jahren haben Europas staatliche Gentech-Labore (ENGL) eingestanden, dass sie Agrarimporte nicht auf illegale Pflanzen überprüfen können, die mit neuen gentechnischen Verfahren verändert wurden. Auch der neue Nachweis einer internationalen Verbändeinitiative für US-amerikanischen Cibus-Raps tauge dafür nicht, schrieben sie jetzt nach einem Treffen. Wie sie selbst ihr Problem der Importkontrolle lösen wollen, dazu steht im Protokoll keine Silbe.
Umso intensiver befasste man sich mit dem neuen Nachweisverfahren, das ein US-Labor im Auftrag von sieben Verbänden aus dem Lebensmittel- und Umweltbereich aus Europa, den USA und Neuseeland entwickelt und Anfang September vorgestellt hatte (der Infodienst berichtete). Mit seiner Hilfe kann eine nach Europa importierte Rapslieferung darauf untersucht werden, ob sie den in der EU nicht zugelassenen Cibus-Raps enthält. Cibus setzte bei der Entwicklung des Rapses mit dem Markennamen Falco das gentechnische Verfahren der Oligonukleotidgesteuerten Mutagenese (ODM) ein. Ob der Raps dadurch herbizidresistent wurde, oder ob das durch die Zellkultur ausgelöst wurde (somaklonale Variation), wurde in der Vergangenheit unterschiedlich dargestellt.
Die neue Nachweismethode der Verbändeinitiative stimme weitgehend mit den Richtlinien der ENGL-Labore für Nachweisverfahren überein, bescheinigten die ENGL-Mitglieder in einer Stellungnahme, die bereits zwei Tage nach dem virtuellen Treffen verabschiedet wurde. Der Test müsse aber noch validiert werden, wofür laut Zulassungsverordnung das Europäische Referenzlabor für Gentechnik zuständig ist. So müsse beispielsweise noch untersucht werden, wie spezifisch die Testergebnisse sind, heißt es in dem ENGL-Papier. Die Frage ist: Kann der Test den Cibus-Raps zuverlässig von anderen Pflanzen unterscheiden? Denn es gebe etwa 160 herbizidresistente Wildkräuter, deren Gene an ähnlicher Stelle verändert sind wie der Cibus-Raps. Und auch solche Wildkräuter können sich natürlich in eine Rapslieferung aus den USA verirren.
Mit dem neuen Test lasse sich nicht feststellen, wie das Gen, das den Raps herbizidresistent macht, in der Pflanze verändert wurde, heben die ENGL-Labore hervor. Neben Verfahren wie ODM oder der Zellkultur käme auch eine Zufallsmutation in Betracht. Nach Ansicht der staatlichen Stellen muss ein gerichtsfester Nachweis das aber unterscheiden können. Als Beleg führt das ENGL-Papier eine EU-Verordnung an, die die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen regelt. Die bestimmt für das geforderte Nachweisverfahren: „Die Methode ist speziell auf das Transformationsereignis ausgerichtet … und nur auf den betroffenen genetisch veränderten Organismus oder das betroffene GV-basierte Produkt anwendbar und nicht auf andere, bereits zugelassene Transformationsereignisse.“
Nun kann man die Frage stellen, warum eine Regelung von Nachweisverfahren für zugelassene Gentech-Pflanzen für einen nicht zugelassenen Raps gelten soll. Doch selbst die Entwickler des Tests berufen sich auf diese Passage, allerdings mit einem anderen Ergebnis. Die Formulierung in der EU-Verordnung zeige, dass es ausreiche, die spezifische Genveränderung einer Pflanze nachzuweisen, heißt es in der wissenschaftlichen Publikation zum neuen Test. Wie diese entstanden sei, müsse der Test nicht belegen. Und Franziska Achterberg von Greenpeace, einem der Unterstützer der Aktion, ergänzt: Wenn dies für Nachweisverfahren für zugelassene Gentech-Pflanzen ausreiche, dann könnten für den Nachweis nicht-zugelassener Pflanzen keine strengeren Anforderungen gelten.
Das Fazit der staatlichen Labore: Die Lage habe sich seit ihrem Bericht im Frühjahr 2019 nicht verändert. Sie seien weiterhin nicht in der Lage, Pflanzen gerichtsfest nachzuweisen, die mit neuen gentechnischen Verfahren verändert wurden. Und ohne Nachweis können die Behörden das geltende Gentechnikrecht auch nicht durchsetzen und verhindern, dass genomeditierte Pflanzen illegal in die Europäische Union gelangen. Die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der EU-Kommission, so heißt es im Protokoll, habe darauf gedrängt, das schnell klarzustellen.
Die Verbändeinitiative ist fassungslos ob solch beharrlicher behördlicher Untätigkeit: „Wir würden es begrüßen, wenn unser Test tatsächlich weiter überprüft würde, statt neue Anforderungen zu erfinden und Kontrollbehörden davon abzuhalten, die neue Methode bei ihrer Arbeit einzusetzen“, fordert Franziska Achterberg. Das europäische Netzwerk der Gentech-Labore wurde 2002 gegründet und umfasst neben dem Referenzlabor der EU fast 100 amtliche Kontrolllabore aus allen EU-Mitgliedsländern sowie aus der Türkei, Norwegen und der Schweiz. [vef]