Fast 30 Millionen Euro investierte die Bundesregierung in Projekte, die in den vergangenen fünf Jahren neue gentechnische Verfahren erforschten und das teils auch weiter tun werden. Nur zwei Millionen Euro davon bekamen Wissenschaftler, die Risiken der neuen Gentechnik untersuchten oder Nachweismethoden dafür entwickelten. Diese Zahlen hätte die Bundesregierung gerne unter Verschluss gehalten.
Sie stehen in ihren Antworten auf einen Fragebogen der EU-Kommission zu neuen gentechnischen Verfahren, die dem Informationsdienst Gentechnik vorliegen. Dieser Fragebogen war im Frühjahr 2020 an alle europäischen Mitgliedsstaaten versandt worden. Deren Antworten fließen in eine Studie der EU-Kommission über neue gentechnische Verfahren ein. Diese soll im April 2021 veröffentlicht werden und dann als Basis für die Diskussion über mögliche Änderungen des EU-Gentechnikrechts dienen. Deshalb waren Verbände und Opposition in Deutschland sehr an den Antworten der Bundesregierung interessiert. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hatte das federführende Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) im Juni 2020 auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes (UIG) aufgefordert, die Stellungnahme herauszugeben. Das Ministerium lehnte dies ab. Die AbL ließ das juristisch prüfen, legte Widerspruch ein und machte sich auf den Rechtsweg.
Am 13. Juli fragte der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner die Bundesregierung schriftlich nach ihren Antworten. Daraufhin erhielt er sie zwar im Juli 2020. Doch sie waren als „Verschlusssache - nur für den Dienstgebrauch!“ eingestuft, so dass Ebner sie nicht veröffentlichen durfte. Das Ministerium begründete die Geheimhaltung damit, dass die EU-Kommission darum gebeten habe und man die gute Zusammenarbeit mit ihr schützen wolle. Doch offenbar war der Druck zu groß. Am Ende gab das Ministerium die Antworten Harald Ebner schließlich frei. Auch der AbL schickte das BMEL das Papier auf ihre UIG-Anfrage. „Für einen ernstgemeinten gesellschaftlichen Dialog ist Transparenz ein wichtiger Schritt“, sagte Annemarie Volling von der AbL. „Wir werden die Stellungnahme inhaltlich sorgfältig prüfen.“
Auf 69 Seiten beantwortet die Bundesregierung 24 Fragen zu verschiedenen Aspekten der neuen gentechnischen Verfahren. Vier davon betreffen Chancen und Herausforderungen der Forschung. Dazu listet eine Anlage die insgesamt 27 in den vergangenen fünf Jahren geförderten Projekte auf. Die größte Einzelsumme entfällt mit 9,9 Millionen Euro auf einen Fördertopf des Bundesforschungsministeriums mit dem Titel „Nutzpflanzen der Zukunft“. Damit werden über zwei Jahre hinweg 26 Einzelvorhaben unterstützt, um „die molekulare Präzisionszüchtung von Nutzpflanzen“ mit Verfahren wie Crispr/Cas zu verbessern oder zu beschleunigen. 7,3 Millionen Euro stammen aus einem Fördertopf der EU und werden vom Bund ausgereicht, um „Chicorée als Mehrzweckpflanze für die Produktion von hochwertigen Konsumgütern“ gentechnisch zu verändern. 1,2 Millionen Euro bekommen Wissenschaftler, die mit Hilfe neuer gentechnischer Verfahren Gerste resistent gegen Pilze und Viren machen wollen. Auch Weizen, Mais, Zuckerrüben und Pappeln gehören zu den Pflanzen, die mit Unterstützung der Bundesregierung gentechnisch verändert werden sollen. Rund 2,3 Millionen Euro gibt das Bundesforschungsministerium für Projekte aus, die sich den ethischen, rechtlichen, sozialen und ökonomischen Aspekten der neuen Verfahren widmen und den gesellschaftlichen Dialog darüber fördern sollen.
Mit der Risikobewertung neuer gentechnischer Verfahren oder deren Nachweis befassen sich neun der aufgelisteten Projekte. Sie werden entweder vom Bundesumweltministerium und dem Bundesamt für Naturschutz durchgeführt oder vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Dafür stehen 2,3 Millionen Euro bereit. „Während die Bundesregierung die Forschung zu neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr/Cas & Co mit über 27 Millionen Euro päppelt, stehen der Nachweis- und Risikoforschung gerade mal zwei Milliönchen zur Verfügung“, kommentierte der Abgeordnete Harald Ebner die Zahlen. Sie belegen für ihn „ein gewaltiges Ungleichgewicht zu Ungunsten der Umwelt- und Gesundheitsvorsorge und zu Ungunsten der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit“. Es brauche deshalb dringend ein Sofortprogramm, um Nachweisverfahren und Risikoforschung zu fördern. [lf/vef]