Die indische Lebensmittelbehörde FSSAI hat vorgeschrieben, dass Importeure für 24 wichtige Agrarrohstoffe nachweisen müssen, dass sie gentechnikfrei sind. Die Regelung sollte zum Jahreswechsel in Kraft treten; das wurde jedoch kurzfristig um zwei Monate verschoben. Hinter den Kulissen drängen vor allem die USA darauf, das Verbot zu kippen.
Die ursprüngliche Anordnung hatte die FSSAI am 21. August 2020 veröffentlicht. Darin hieß es, jede Lieferung solle von einem Gentechnikfrei-Zertifikat begleitet sein, das „die zuständige nationale Behörde des Exportlandes“ auszustellen habe. Der Anhang listete 24 Rohstoffe auf, darunter Weizen, Kartoffeln, Mais, Sojabohnen, Raps, Zuckerrüben, Luzerne, Reis und Leinsaat. In einem Interview im indischen Financial Express erklärte der Geschäftsführer der FSSAI, Pawan Kumar Agarwal, dass es derzeit in Indien ein „regulatorisches Vakuum“ gebe, da die Zulassung und Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel nicht geregelt sei.
Nun ist es nicht so, dass es in Indien bisher keine Regelungen für den Import von gentechnisch veränderten Lebensmitteln gegeben hätte. Die Kompetenz hierfür lag, wie der Financial Express erläuterte, bei der Behörde GEAC im Umweltministerium. Im August 2017 entschied jedoch der Oberste Gerichtshof, dass es die Aufgabe der FSSAI sei, die gesundheitlichen Risiken gentechnisch veränderter Lebensmittel zu bewerten und diese zuzulassen. Der Gerichtshof beauftragte die Lebensmittelbehörde, dem Parlament entsprechende Gesetzesvorschläge vorzulegen. Daran arbeite seine Behörde und sie werde eine verpflichtende Kennzeichnung für gentechnisch veränderte Lebensmittel vorschlagen, sagte Agarwal im Interview. Bis dahin soll die Verordnung der FSSAI „sicherstellen, dass nur gentechnikfreie Nahrungsmittelpflanzen nach Indien importiert werden, bis die Vorschriften für gentechnisch veränderte Lebensmittel abgeschlossen sind.“
Um diese Vorgaben umzusetzen, müsse das FSSAI allerdings umfassende Tests durchführen, die Hilfe aufmerksamer Bürger in Anspruch nehmen und auf Beschwerden im Zusammenhang mit vermuteten gentechnischen Verunreinigungen reagieren, mahnte Kavitha Kuruganti von der Alliance for Sustainable & Holistic Agriculture in der Zeitung The Hindu. „Es ist bemerkenswert, dass die FSSAI diese Entscheidung trotz des Drucks von starken Lobbygruppen getroffen hat“, zitierte die Zeitung den Landwirtschaftsexperte Devinder Sharma. Dieser beziehe sich auf die Kampagne eines indisch-amerikanischen Wirtschaftsverbandes, der die Regierung gedrängt habe, fünf Prozent transgene Bestandteile in Agrarrohstoffen zuzulassen, erläuterte The Hindu.
Die Zeitung berichtete auch, dass sich die USA, Brasilien, Australien und einige andere Länder bei der Welthandelsorganisation WTO beschwert hätten. Die indische Regelung würde eine „unangemessene Belastung“ für exportierende Länder darstellen und den Eindruck erwecken, gentechnisch veränderte Lebensmittel seien weniger sicher als herkömmliche. Die FSSAI werde alle erhaltenen Kommentare überprüfen und auf bilateralem Weg eine für beide Seiten akzeptable Lösung finden, zitierte The Hindu einen indischen Diplomaten. Bereits davor hatte das FSSAI klargestellt, dass die Anordnung nicht für verarbeitete Lebensmittel gelte, sondern nur für Lebensmittelrohstoffe. Tierfutter war von vornherein nicht in der Anordnung enthalten. Allerdings hätte Indien nicht dargelegt, wie es feststelle, für welchen Verwendungszweck ein Agrarimport gedacht sei, zitierte The Hindu aus der Beschwerde der USA.
Innenpolitisch bekommt die FSSAI Druck, die Regelungen noch zu verschärfen. Swadeshi Jagran Manch, eine einflussreiche Vorfeldorganisation der regierenden Hindu-Partei BJP, forderte die FSSAI in einem Schreiben auf, auch für verarbeitete Lebensmittel beim Import ein Gentechnikfrei-Zertifikat zu verlangen. Zudem solle FSSAI die noch von der GEAC erteilten Importgenehmigungen für Öl aus gentechnisch verändertem Raps und Soja widerrufen. [lf]