Seit 18 Jahren gilt im australischen Bundesstaat New South Wales ein gesetzliches Gentechnik-Moratorium für die Landwirtschaft. Trotzdem wachsen seit 2008 gentechnisch veränderter Raps, Baumwolle und Färberdisteln auf den Äckern. Ab August will die Regierung den Anbau von Gentechnikpflanzen komplett freigeben. Wie passt das zusammen?
Ähnlich wie die Bundesstaaten Southern Australia, Victoria und Western Australia verbot New South Wales (NSW) im Jahr 2003 per Gesetz, gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen zu kultivieren. Das Gesetz galt zunächst für drei Jahre, wurde aber mehrfach verlängert, zuletzt 2011 bis zum Juli 2021. Und es sah vor, dass die Behörden den Anbau bestimmter gv-Pflanzen ausnahmsweise genehmigen konnten. In NSW erlauben die Behörden den Landwirten seit 2008, gentechnisch veränderten Raps, Baumwolle und Färberdisteln anzubauen, teilte das dortige Ministerium für Primär-Industrien im März in einer Presseinformation mit. Etwa zeitgleich gestattete der Bundesstaat Victoria nach Angaben des Portals transgen.de, gv-Raps kommerziell zu kultivieren. Beim Raps seien damals in beiden Bundesstaaten, die einen Großteil der australischen Rapsproduktion stemmten, neue herbizidresistente Züchtungen der heutigen Bayer-Tochter Monsanto (RoundupReady) auf den Markt gekommen, schrieb transgen.
Für Bob Phelps von der australischen Initiative „GenEthics“ gibt es damit faktisch schon seit Jahren kein Gentechnik-Moratorium mehr in NSW. Indem die Regierung jetzt auch noch das entsprechende Gesetz auslaufen lasse, verzichte sie zudem auf ihr Recht, gv-Pflanzen künftig auf ihrem Territorium zu verbieten, sagte Phelps dem Portal GMWatch. Sie übertrage Kompetenzen an den Nationalstaat und setze damit das Programm des sogenannten Conran-Berichts um, demzufolge Entscheidungsgewalt in Australien zentralisiert werden soll. Auch in Western Australia ist das Moratorium für Gentechnikpflanzen laut NSW-Presseinfo bereits vor einiger Zeit ausgelaufen. In South Australia gilt es nur noch auf der Kangaroo Insel. Allein Tasmanien hält laut der Zeitung „The Guardian“ vorerst bis 2029 an einem Gentechnikmoratorium fest.
Wie das Blatt weiter berichtet, ist der australische Verband nachhaltiger Landwirtschaft jetzt in größter Sorge, dass der ökologische Landbau künftig durch Verunreinigungen mit gv-Pflanzen vermehrt Schaden nehmen könnte. Und das kann auch den konventionell wirtschaftenden Kollegen nicht gleichgültig sein. Denn sie müssten nach den Verträgen mit den Saatgutfirmen für entsprechende Schadenersatzansprüche aufkommen, betonte Phelps. Unisono rufen die Beteiligten jetzt nach verstärkten Schutzmaßnahmen des Zentralstaats.
NSW-Agrarminister Adam Marshall hingegen hält die Sicherheitsvorkehrungen für ausreichend und malt die Gentechnik-Zukunft in rosa Farben: Die Pflanzen würden resistenter gegen Trockenheit und Schädlinge, brächten höhere Erträge und das Unkraut ließe sich besser bekämpfen, behauptet er. Die Verbraucher*innen könnten einen besseren Geschmack und einen höheren Nährwert der Lebensmittel bei weniger Allergenen genießen. Und die Grundstoffindustrie werde in den nächsten zehn Jahren von finanziellen Vorteilen von bis zu 4,8 Milliarden australischen Dollar (gut drei Milliarden Euro) profitieren.
Phelps bezweifelt das. Eine Tonne gentechnisch veränderter Raps bringe bereits jetzt 40 australische Dollar weniger ein als konventioneller. Dafür sei das Saatgut teurer, aber die Ernte nicht größer. Nach Angaben der industrienahen Organisation ISAAA werden in Australien aktuell gentechnisch veränderte Baumwolle, Raps und Färberdistel auf insgesamt 600.000 Hektar angebaut. Die landwirtschaftliche Gesamtfläche liegt bei mehr als 40 Millionen Hektar. [vef/cp]
Anmerkung: Dieser Artikel wurde am 8.4.2021 überarbeitet und durch zahlreiche Detailinformationen sowie weitere Quellen ergänzt.