Chinesische Wissenschaftler haben eine neue Methode entwickelt, um das Erbgut nach einem Eingriff mit Crispr/Cas9 zu untersuchen. Dabei fanden sie weit mehr unerwünschte Veränderungen als bisher bekannt.
„Wir identifizierten enorme schädliche Nebenprodukte der Crispr-Cas9-Editierung“, schrieben die Wissenschaftler in ihrem Fazit. Gefunden hatten sie im geänderten Erbgut Stellen mit zusätzlich eingefügten oder gelöschten Gen-Bausteinen, verlagerte Chromosomenabschnitte sowie versehentlich eingebaute Teile der Gen-Fähre, die Crispr/Cas zur gewünschten Stelle im Erbgut gebracht hatte. Die Wissenschaftler führten die meisten unerwünschten Effekte auf den Mechanismus zurück, mit dem die Zelle den Schnitt des Enzyms Cas9 in den DNA-Strang repariert. Deshalb sollten Gentechniker den Nebenprodukten der Reparatur mehr Aufmerksamkeit widmen, mahnten sie. Bisher hätten zu sehr die Off-Target-Effekte im Vordergrund gestanden, also Schnitte von Cas9 ins Erbgut an anderen als den erwünschten Stellen.
Die Wissenschaftler der Universitäten Peking und Shanghai hatten eine neue Methode entwickelt, um ganze Sequenzen des geänderten Erbguts zu analysieren – tiefgehender und gründlicher als mit bisherigen Verfahren. Sie überprüften die Methode, indem sie die Ergebnisse eigener gentechnischer Eingriffe an Menschen- und Mäusezellen untersuchten.
„Die Mechanismen des Gene Editing und der anschließenden DNA-Reparaturprozesse sind in tierischen und pflanzlichen Zellen die gleichen“, erklärte der Londoner Molekularbiologe Michael Antoniou auf GMWatch.org. Er forderte als Konsequenz, dass alle bisher mit Crispr/Cas gentechnisch veränderten Pflanzen mit dieser neuen Methode analysiert und bewertet werden müssten, um ein vollständigeres Bild der durch das Verfahren entstandenen DNA-Schäden zu erhalten.
Dass bei Pflanzen unerwartete Schäden selbst bei kleinen gentechnischen Eingriffen wie dem Stilllegen einzelner Gene auftreten können, hat Katharina Kawall von der Fachstelle Gentechnik und Umwelt in einer Übersichtsarbeit dargestellt. Diese zeigt am Beispiel der Ölpflanze Leindotter, welche ungewollten und unerwarteten Auswirkungen eine derartige gentechnische Veränderung haben kann. Bei der Freisetzung von Leindotter-Pflanzen, deren Fettsäureprofil mit Crispr/Cas geändert wurde, zeigten sich „drastische Entwicklungsdefekte“ wie beeinträchtigtes Wachstum, verdrehte Blätter und verzögerter Austrieb. Kawall erklärt dies damit, dass die von Crispr/Cas vorgenommenen beabsichtigten Änderungen der Fettsäurezusammensetzung verschiedene Stoffwechselprozesse beeinflussen können. Zudem könnten ungewollte Auswirkungen auf verschiedene biochemische Prozesse auftreten, zum Beispiel bei der Bildung von Botenstoffen, mit denen Pflanzen kommunizieren und sich bei Schädlingsbefall warnen. Deswegen müssten Pflanzen mit neuen Eigenschaften auch dann eingehend auf Risiken geprüft werden, wenn keine zusätzlichen Gene eingefügt würden, folgerte Kawall. [lf]