Die Forscher des britischen Rothamsted Research-Instituts (RRI) griffen schon mehrfach ins Weizengenom ein: Mit warnenden Duftstoffen sollten die Pflanzen Blattläuse vertreiben, aufgrund verbesserter Photosynthese mehr Körner tragen und jetzt wollen die Wissenschaftler ein Eiweiß eliminieren, damit nach dem Backen des Brotes kein Krebs drohe. Da auf dem Feld aber noch nichts dergleichen funktioniert hat, haben fast 30 gentechnikkritische Gruppen die britischen Behörden aufgefordert, das nutzlose Eiweißexperiment nicht auf den Acker zu lassen.
„Die Forschung befindet sich in einem frühen Stadium und sollte in einer geschlossenen Umgebung durchgeführt werden“, schrieben die Mitglieder der Kampagne GM Freeze (dt. Gentechnik stoppen) im Juli an das britische Agrarministerium. Mithilfe alter Gentechnik und Crispr-Cas seien Weizengene so verändert worden, dass im Korn weniger von der Aminosäure Asparagin entstehe, die sich bei großer Hitze in krebserregendes Acrylamid verwandele, erläutert das RRI. Die Wissenschaftler von GM Freeze bezweifeln diese Zusammenhänge.
Außerdem seien die Risiken eines solchen Feldversuchs nicht ausreichend bewertet worden, warnen die Umwelt- und Ökoverbände sowie Initiativen gegen Agro-Gentechnik. Es bestehe die Gefahr, dass der gentechnisch veränderte Weizen in die Natur getragen werde und sich dort mit anderen Pflanzen kreuze, wie der in der Gegend verbreiteten Quecke. Da der Weizen auch glufosinatresistent ist, könnten so robuste Unkräuter entstehen. Außerdem könnten Lieferungen von konventionellem Weizen verunreinigt und damit unverkäuflich werden, kritisiert das Bündnis. Ferner sei nicht geprüft worden, ob die veränderte Zusammensetzung der Pflanzen sicher sei oder möglicherweise Allergien hervorrufe. Im Übrigen werde Weizen, der weniger freies Asparagin enthalte, wahrscheinlich keinen signifikanten öffentlichen Nutzen bringen.
Das Rothamsted Research-Institut (RRI) weist die Kritik in einem umfangreichen Frage-Antwort-Katalog auf seiner Webseite zurück. Sollte der Feldversuch in Kooperation mit der Universität von Bristol auf 1500 Quadratmeter Fläche genehmigt werden, soll er nach Angaben des Instituts bis 2026 dauern. Davon sei das erste Jahr durch den staatlichen Biotechnology and Biological Sciences Research Council’s Super Follow-on Fund (BBSRC) finanziert, der biotechnologische Forschung unterstützt. Weitere Gelder werden gesucht. Die britischen Behörden werden offenbar in den nächsten Wochen über den Freisetzungsantrag entscheiden. Das RRI setzt darauf, dass Gentechnikregeln in Großbritannien infolge des Brexit bald weniger streng sein werden. Doch schon bei früheren Verfahren hatte GM Freeze vergeblich gegen die Feldversuche argumentiert.
So hatte das RRI von 2016 bis 2019 Weizen angepflanzt, bei dem mittels Gentechnik die Photosynthese verbessert worden war – jedenfalls im Gewächshaus. „Aber wie unzählige andere experimentelle gentechnisch veränderte Pflanzen versagten sie auf dem Feld“, berichtet die Organisation GMWatch vom Projekt der Universität von Essex, dessen ernüchternde Evaluation auf einer weniger bekannten staatlichen Webseite versteckt war. Kosten dieses gescheiterten Experiments: fast 700.000 Pfund Sterling an Steuermitteln (rund 820.000 Euro). Auch dieses Geld stammte unter anderem von der BBSRC. GMWatch fordert, solche Forschungsergebnisse transparenter zu machen, damit Öffentlichkeit und politische Entscheidungsträger besser erkennen könnten, „ob es wünschenswert ist, noch mehr öffentliche Gelder in die GEN-Forschung zu leiten“.
Weizen, Crispr-Cas – gabs da nicht auch ein groß propagiertes Projekt in Deutschland? Hier wollte der Bundesverband der Pflanzenzüchter (BdP) eigentlich diesen Sommer darüber informieren, ob Weizenpflanzen mittels neuer Gentechnik so verändert werden können, dass ihnen verschiedene Pilzerkrankungen nicht schaden können. An dem 2020 gestarteten, sogenannten Pilton-Projekt sind 55 Unternehmen beteiligt, darunter Größen wie Bayer CropScience und Syngenta. Die Pflanzen seien stabil mit Crispr-Cas verändert worden, teilte eine BdP-Sprecherin auf Anfrage mit. Die Nachfolgegeneration stehe jetzt im Gewächshaus. Über den Sommer werde mit mehreren Schadpilzen getestet, ob der Weizen dagegen resistent ist. Ergebnisse sollen im Frühherbst veröffentlicht werden. Ob sich die dann auch auf den Acker übertragen lassen, wird vorerst offenbleiben. [vef]