Im Juni hatten Behörden aus vier EU-Mitgliedsstaaten verkündet, das Herbizid Glyphosat sei unschädlich für Gesundheit und Umwelt; es könne bis zum Jahr 2037 genehmigt werden. Der ausführliche Bericht, auf den sich diese Einschätzung stützt, wurde jetzt veröffentlicht und kann 60 Tage lang kommentiert werden.
Mit dem Start der Konsultation haben die für Lebensmittelsicherheit und Chemikalien zuständigen EU-Behörden EFSA und ECHA die nächste Phase im Verfahren zur erneuten Zulassung von Glyphosat eingeleitet. Begonnen hat dieses Verfahren mit dem Zulassungsantrag, den acht Hersteller im Dezember 2019 unter Federführung der Bayer AG stellten. Sie hatten sich dazu in der Glyphosate Renewal Group (GRG, dt.: Glyphosat-Erneuerungsgruppe) zusammengeschlossen. Im Juni 2020 unterfütterten sie ihren Antrag mit einem Dossier, das nach GRG-Angaben 180.000 Seiten umfasste. Die EU beauftragte die zuständigen Behörden Frankreichs, Ungarns, der Niederlande und Schwedens damit, als Bewertungsgruppe für Glyphosat (Assessment Group of Glyphosate, AGG) das Material zu sichten und eine Empfehlung für die Zulassung und die Gefahrenkennzeichnung des Wirkstoffes vorzulegen. Dies geschah im Juni 2021, wobei damals nur eine kurze Zusammenfassung der Bewertung veröffentlicht wurde. Die AGG kam darin zu der Einschätzung, dass das Pflanzengift weder krebserregend sei, noch Organe, den Hormonhaushalt oder die Fruchtbarkeit schädige. Es könne deshalb mit den gleichen Auflagen wie bisher für weitere 15 Jahre zugelassen werden.
Die Expert*innen gentechnikkritischer Organisationen werden in den kommenden Wochen den rund 11.000 Seiten umfassenden und in gut 30 Dateien gegliederten Bericht analysieren. Dabei sind vor allem zwei Aspekte interessant: Gibt es zur Streitfrage der krebserregenden Wirkung neue Studien oder beschränkte sich die AGG - wie die Behörden in früheren Verfahren –auf eine fragwürdige Interpretation alter Monsanto-Studien? Und zweitens: Wie bewertete die AGG die zahlreichen in den letzten Jahren erschienenen Studien, die auf gesundheitliche und ökologische Gefahren durch Glyphosat hinwiesen? Wurden sie wie ähnliche Arbeiten in früheren Verfahren als wenig aussagekräftig abgetan?
Die Ergebnisse der Expert*innen werden die gentechnikkritischen Organisationen dann in die Konsultation einspeisen. Diese ist jedoch nicht nur für Fachleute gedacht. „Alle interessierten Kreise sind aufgerufen, sich an den Konsultationen zu beteiligen und einschlägige Anmerkungen oder wissenschaftliche Informationen und Daten einzureichen“, schreibt die EFSA. Alle Anmerkungen würden nach Abschluss der Konsultationen veröffentlicht. Anschließend werden die AGG und der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der ECHA die eingereichten Anmerkungen und Daten sichten. Der RAC wird danach einen Vorschlag für die Gefahreneinstufung von Glyphosat machen.
Parallel dazu erarbeiten die EFSA und die Behörden der EU-Mitgliedstaaten in einem Peer-Review genannten Verfahren eine abschließende Risikobewertung, in die auch die Stellungnahme des RAC einfließt. In diesem Rahmen werden auch die deutschen Behörden Stellung beziehen. Auf der Webseite des Bundeslandwirtschaftsministeriums heißt es dazu: „In Deutschland prüfen die an der Pflanzenschutzmittelzulassung beteiligten Behörden Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Julius Kühn-Institut (JKI) und Umweltbundesamt (UBA) den von dem berichterstattenden Konsortium vorgelegten Bericht und bringen die Erkenntnisse der deutschen Behörden in die weiteren fachlichen Erörterungen bei der EFSA ein.“
Die abschließende EFSA-Bewertung soll in der zweiten Jahreshälfte 2022 vorliegen. Auf ihrer Basis schlägt die EU-Kommission vor, ob und wie lange Glyphosat erneut zugelassen wird. Entscheiden darüber müssen die Mitgliedsstaaten mit einer qualifizierten Mehrheit. Letzter Termin dafür ist der 15. Dezember 2022, an dem die bestehende Zulassung für Glyphosat ausläuft. [lf]