Der für Landwirtschaft zuständige Südtiroler Landesrat Arnold Schuler sieht in neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr/Cas eine große Chance für den Apfelanbau in Südtirol. Seine Vorstellungen stoßen bei Umwelt- und Verbraucherverbänden auf Kritik. Sie warnen vor einem Paradigmenwechsel in der Südtiroler Politik, die bisher stark auf gentechnikfreie Produkte setzte. Doch noch sind Schulers Gentech-Äpfel Zukunftsmusik.
Südtirol ist das größte Apfelanbaugebiet Europas. Auch andere Obstsorten sowie Wein werden dort intensiv angebaut. In einem Strategiepapier mit dem Titel LandWIRtschaft 2030 fordert Schuler unter den Stichpunkten Ausbau der Forschung: „Moderne Züchtungsmethoden (CIS-Genetik, Genom-Editierung) für die Entwicklung von resistenten und robusten Sorten“. Um das umzusetzen sollen am Südtiroler Versuchszentrum Laimburg „standortangepasste und resistente Sorten mit neuesten Technologien“ gezüchtet werden.
Mit dem Papier solle „durch die Hintertür ein kompletter Paradigmenwechsel eingeläutet werden“, befürchtet die Verbraucherzentrale Südtirol. Bisher sei die Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen in Südtirol per Landesgesetz verboten. Zudem sei Südtirol Mitglied im europäischen Netzwerk der gentechnikfreien Regionen. „Wo bleibt der Qualitätsanspruch der Südtiroler Landwirtschaft, natürliche, gesunde, qualitativ hochwertige Lebensmittel produzieren zu wollen?“, fragt der Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Er verlangt eine umfassende Diskussion und ist sich sicher, „dass eine übergroße Mehrheit der SüdtirolerInnen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft und damit in der Südtiroler Umwelt dezidiert ablehnt“.
In seiner Antwort auf eine Landtagsanfrage verteidigt Schuler sein Papier: „Wir wollen nur den Zug nicht verpassen und wollen uns deshalb mit den neuen „New Genomic Techniques“ (NGTs) in der Forschung auseinandersetzen“. Denn sie „könnten einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Nachhaltigkeit und somit zur Ökologisierung leisten“. In einem Presseartikel verweist der Landesrat zur Rechtferigung auf den „Landwirtschaftsreport Südtirol 2020“, den das private Bozener Forschungsinstitut EURAC zusammen mit den Universitäten Bozen und Innsbruck veröffentlichte. Dieser Report beschreibt den Status Quo der Landwirtschaft in der Alpenregion und schlägt Maßnahmen vor, um sie nachhaltiger zu machen. Eine davon wäre der Einsatz neuer gentechnischer Verfahren. Im Report steht dazu: „Innerhalb weniger Jahre wurden auf diesem Weg zahlreiche Kulturpflanzen gezüchtet, die trockenheits-, pilz- oder virusresistent sind. In einigen Ländern werden diese bereits angebaut.“ Konkrete Beispiele für diese Behauptung nennen die Autoren nicht. Können sie auch nicht. Denn es gibt zwar Laborversuche, doch es hat bisher keine resistente NGT-Pflanzen in den kommerziellen Anbau geschafft – abgesehen von einem lediglich in Argentinien zugelassenen Weizen, der besser mit Trockenheit zurecht kommen soll.
Feldversuche gibt es bereits mit Äpfeln, die mit Hilfe von Cis-Genetik gegen die von Bakterien ausgelöste Krankheit Feuerbrand resistent gemacht wurden. Bei der Cis-Genetik werden mit Verfahren der alten Gentechnik arteigene Gene in eine Pflanze eingeschleust. In diesem Fall hat die Schweizer Forschungsanstalt Agroscope Resistenzgene aus einem Wildapfel in Kulturäpfel der Sorte Gala eingebracht. Seit 2016 wachsen die derart gentechnisch veränderten Apfelbäumchen auf dem Freisetzungsgelände der Agroscope. Befristet ist der Versuch auf Ende 2021. Er dient laut einer Beschreibung der Agroscope jedoch lediglich einer grundlegenden Abklärung. „Für praxistaugliche Sorten, welchen dauerhaft feuerbrandresistent wären“, müsste die eingebaute Wildapfel-Resistenz noch mit weiteren Feuerbrandresistenzen kombiniert werden.
Bereits auf dem Markt ist dagegen eine konventionell von Agroscope gezüchtete Apfelsorte, die nicht komplett resistent ist, aber eine Feuerbrand-Infektion deutlich besser wegsteckt als andere Sorten. Sie heißt Ladina. [lf]