Für den Agrarchemiekonzern Bayer begann das neue Jahr, wie das alte aufgehört hat: mit einer juristischen Niederlage, eingebrockt vom 2018 erworbenen Tochterunternehmen Monsanto. Von Steuernachforderungen über Schadenersatz wegen gefährlichem Pestizideinsatz bis hin zu Investoren, die sich bei der Megaübernahme getäuscht sehen, reicht die Palette der Prozesse. 2022 könnten richtungweisende Entscheidungen fallen.
In der Schweiz hat Monsanto 34 Millionen Schweizer Franken Steuerschulden, stellte das Schweizer Bundesgericht Ende Dezember fest. Wie Schweizer Medien übereinstimmend berichteten, hatte der Kanton Waadt dem Unternehmen zehn Jahre lang sämtliche Steuern erlassen, nachdem es 2004 dort einen Standort eingerichtet hatte. Dafür verpflichtete sich der damals noch amerikanische Konzern, 20 Jahre zu bleiben. 2020 gab die neue Mutter Bayer den Standort jedoch vorzeitig auf und das Bundesgericht bestätigte jetzt, dass Bayer damit die Steuern nachzahlen muss.
Drei Jahre Haft auf Bewährung verhängte Anfang Januar ein Bezirksgericht auf Hawaii wegen 31 Umweltvergehen mit Agrarchemikalien: Monsanto habe sich schuldig bekannt, sie falsch gelagert, verwendet und Mitarbeitende unzureichend vor gesundheitlichen Gefahren gewarnt und geschützt zu haben, berichtete das Portal Hawaii News Now. Wie die kalifornische Staatsanwaltschaft informierte, erklärte sich die Bayer-Tochter ferner bereit, insgesamt 22 Millionen US-Dollar zu zahlen, die sich etwa hälftig aus Geldstrafen und Zahlungen an gemeinnützige hawaiianische Einrichtungen zusammensetzen. Außerdem wird der Konzern für weitere drei Jahre ein umfassendes Umwelt-Compliance-Programm fortsetzen, das von einem externen Prüfer begleitet wird. Wie der Infodienst berichtete, laufen ferner Schadenersatzklagen schwer erkrankter Anwohner von Monsanto-Feldern auf Hawaii.
Nach Unternehmensangaben sind in den USA noch rund 29.000 Klagen von Bürgern offen, die Erkrankungen wie ein Non-Hodgkin-Lymphom auf regelmäßigen Kontakt mit Bayers Unkrautvernichter Glyphosat zurückführen. Hier hofft der Chemiekonzern, dass das oberste US-Gericht, der Supreme Court, sich mit der Frage befassen wird, ob Bayer vor den Gefahren des Totalherbizids hätte warnen müssen, oder ob das Bundesrecht in den USA das ausschließt. Mit einer Entscheidung, ob der Supreme Court sich zu dieser Rechtsfrage äußern wird, rechnen Experten im Frühsommer. Wie er sie beantwortet, wird die Welt wohl erst 2023 erfahren. Zunächst wurde die US-Regierung gebeten, Stellung zu nehmen. Die Vergleichsverhandlungen mit den Klägern lässt Bayer einstweilen ruhen.
Einen längeren Atem brauchen wohl auch 320 Investoren, die bis zum Ende der Verjährungsfrist am 31. Dezember beim Landgericht Köln Klage gegen die Bayer AG eingereicht haben. Dazu gehören nach Angaben der Kanzlei Tilp Rechtsanwälte mittlerweile 288 Institutionen wie Banken, Versicherungen und Pensionsfonds aus mehreren Ländern sowie zahlreiche Privatanleger. Dabei gehe es um eine Schadensumme von insgesamt 2,2 Milliarden Euro, teilte die auf solche Musterverfahren spezialisierte Kanzlei mit. Der Aktiengesellschaft wird vorgeworfen, im Zuge der Übernahme des US-Saatgutgiganten Monsanto ihre Anleger in den Jahren 2016 bis 2019 nicht ausreichend über die damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken informiert zu haben. In der Folge des Megadeals zum Preis von 66 Milliarden US-Dollar, der 2016 angekündigt wurde, brach der Aktienkurs von Bayer vor allem aufgrund der hohen Klagewelle in den USA massiv ein. Bayer wies die Vorwürfe stets zurück. Die Kanzlei Tilp geht davon aus, dass der Prozess in Köln im Lauf des Jahres starten wird. [vef]