Traditionelle Maissorten in Brasilien sind großflächig mit dem Erbgut gentechnisch veränderter Maissorten verunreinigt. Wissenschaftler der brasilianischen Agrarforschungsbehörde Empraba fanden in einem Drittel von gut 1000 untersuchten Proben Gene für Herbizidresistenzen und für die Produktion verschiedener für Insekten giftiger Bt-Toxine. Die Experten folgerten daraus, dass die in Brasilien geltenden Biosicherheitsstandards nicht ausreichen, um die alten Landrassen zu schützen.
Brasilien weist ähnlich wie Mexiko eine große Vielfalt an alten Maissorten auf, von denen viele endemisch sind, also nur dort vorkommen. Ihre genetischen Besonderheiten, die sich im Laufe der Jahrhunderte des Anbaus in einer regenarmen Region herausgebildet haben, sind eine wertvolle Ressource, um andere Maissorten züchterisch an den Klimawandel anzupassen.
Dieser Diversitäts-Hotspot ist durch den massiven Anbau von gentechnisch verändertem (gv) Mais auf mehr als 15 Millionen Hektar bedroht. Das Ausmaß dieser Bedrohung macht die Studie der Empraba deutlich. Es ist die erste, die seit der Zulassung von gv-Mais in Brasilien 2007 dieses Thema anging. Dazu zogen Empraba-Mitarbeiter aus den Ernten 2018/19 und 2020/21 von Familienbetrieben aus dem trockenen Nordosten Brasiliens insgesamt 1098 Proben. In 34 Prozent davon konnten sie im Labor Gentech-Konstrukte im Erbgut nachweisen. Dabei lag die Fallzahl in der Ernte 2020/21 mit 41 Prozent deutlich höher als in der Ernte zwei Jahre davor. Das deutet auf eine ansteigende Tendenz hin.
Am häufigsten traten Verunreinigungen auf, wenn Bauern Saatgut auf dem Markt einkauften oder aus öffentlichen Programmen bezogen. Die meisten Proben jedoch stammten von Landwirten, die ihr Saatgut nur untereinander tauschten, aus dörflichen Saatgutbanken bezogen oder nur die eigene Ernte wieder zur Aussaat verwendeten. Auch in diesen Fällen war das Saatgut zu einem Drittel verunreinigt. Die meisten verunreinigten Saatgutproben enthielten ein oder mehrere Gene, um Bt-Toxine zu produzieren. In über der Hälfte der Proben fanden die Forscher eine Glyphosat-Resistenz. Überlappend wiesen 37 Prozent der verunreinigten Proben sowohl eine Herbizid-Resistenz als auch Bt-Gene auf. Einige Pflanzen waren zusätzlich noch gegen das Herbizid Glufosinat resistent. In einer Probe kamen sogar sieben verschiedene Gentech-Konstrukte vor.
Deutliche Kritik äußerten die staatlichen Forscher an den brasilianischen Koexistenzregeln, die lediglich einen Abstand von 100 Metern zwischen Feldern mit und ohne gv-Mais vorsehen. Zudem würde gv-Saatgut häufig ohne die gesetzlich vorgeschriebenen Hinweise verkauft, so dass die Landwirte gar nicht wüssten, dass sie sich gv-Pflanzen aufs Feld holen. Die Forscher forderten weitere Studien für andere Landesteile und empfahlen dafür ihr Vorgehen. Sie hatten die Landwirte in die Messungen eingebunden und dafür Schnelltests verwendet, die sofort ein Ergebnis lieferten. Allerdings, so schreiben sie, seien diese Tests für die Landwirte teuer, für ein umfassenderes Monitoring müssten sie vom Staat zur Verfügung gestellt werden. Notwendig sei auch, dass die Tests neue gv-Sorten nachweisen könnten. In diesem Zusammenhang schreiben die Empraba-Experten: „Die kommerzielle Zulassung von gentechnisch veränderten Sorten in Brasilien erfolgt schneller als das Land in der Lage ist, wirksame Maßnahmen zum Schutz von Landsorten und Saatgutmanagementsystemen der Landwirte zu ergreifen“. Die brasilianische Regulierungsbehörde CTNBio forderten sie auf, ihre Zulassungsregeln zu überarbeiten und die Erleichterungen der letzten Zeit wieder zurückzunehmen. Diese betrafen vor allem neue Maissorten mit mehreren Gentech-Konstrukten, so genannte Stacked Events. Das Fazit der Empraba: „Es sind wirksame Maßnahmen erforderlich, um gentechnisch verändertes Saatgut auf die Gebiete und landwirtschaftlichen Systeme zu beschränken, für die es entwickelt wurde“. Nur so könne verhindert werden, dass die Landwirte, die alte Landrassen anbauen und damit erhalten, ihre Rechte und ihr Saatgut verlieren. [lf]