Pflanzen, die mit neuen Gentechnikverfahren (NGT) wie Crispr/Cas verändert wurden, müssen auf ihre Risiken geprüft, behördlich zugelassen und gekennzeichnet werden. Das seien wichtige Elemente des geltenden regulatorischen Rahmens, in dem sich ihr Ministerium in der neuen Legislaturperiode bewegen werde, sagte Agrarstaatssekretärin Silvia Bender heute bei einer Diskussion des Grain-Club. Dabei wolle man die ökologischen und gesellschaftlichen Folgen dieser Techniken stärker betrachten als bisher.
Die Grünenpolitikerin verwies darauf, dass alle Studien der jüngsten Zeit eine stabil hohe Skepsis der Bevölkerung gegenüber gentechnischen Verfahren zeigen und die Menschen sich daher beim Thema Gentechnik in Lebensmitteln Transparenz und Wahlfreiheit wünschen. „Eine Deregulierung auf europäischer Ebene würde diesen Wünschen der Verbraucherinnen und Verbraucher entgegenlaufen und ich bin der Meinung, dass wir das nicht tun sollten“, sagte Bender im Blick auf die aktuelle Diskussion in der Europäischen Union (EU), NGT-Pflanzen aus dem Gentechnikrecht auszunehmen. Ihr Minister und Parteikollege Cem Özdemir hatte vergangene Woche in einer Fragestunde des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten gesagt, er müsse sich ins Thema neue Gentechnik erst noch einlesen.
Seine Staatssekretärin, die aus ihrer früheren Arbeit in Bio- und Umweltverbänden bereits viel Expertise zur Agrogentechnik mitbringt, zählte zum Auftakt der Diskussion heute die offenen Fragen auf, die vor gesetzgeberischen Entscheidungen geklärt werden sollten: Welche Risiken birgt die neue Gentechnik für die Gesundheit der Menschen, die Umwelt und die Ökologie? Wie ist damit umzugehen, dass Eingriffe mit Crispr/Cas zu Genveränderungen führen können, die gar nicht beabsichtigt waren (off-target-effekte)? Dass die Technik Bereiche des Pflanzengenoms verändern kann, die vor natürlichen Mutationen geschützt sind. Welche sozioökonomischen Folgen hat es, wenn die Hersteller das genveränderte Saatgut patentieren lassen und es damit für Kleinbauern möglicherweise nicht mehr nutzbar ist? Und passt das Ziel der Bundesregierung, eine vielfältige Agrarlandschaft zu fördern, zu den Zielen der großen Pflanzenzuchtunternehmen?
Der Geschäftsführer des Bundes deutsche Pflanzenzüchter, Carl-Stephan Schäfer, entgegnete, dass er den Titel der Veranstaltung „Mit der Genschere Crispr/Cas zu mehr Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Umweltschutz!?“ als Arbeitsauftrag für seine Branche betrachte. Er sieht in den neuen gentechnischen Verfahren ein großes Potential, schneller als bei konventioneller Züchtung stabile Erträge unter sich ändernden Umweltbedingungen zu erhalten. Die Frage aus dem Chat, welche Crispr-Pflanzen weltweit bereits angebaut werden, konnte Schäfer nicht beantworten. In der EU sei der Anbau jedenfalls verboten. Das gelte auch in der Schweiz, ergänzte Jürg Niklaus vom schweizerischen Verein «Sorten für morgen». Dort hat das Parlament die Regierung kürzlich damit beauftragt, bis 2024 zu ermitteln, welche Folgen es hätte, würde die neue Gentechnik vom geltenden Anbaumoratorium ausgenommen (der Infodienst berichtete).
Einig waren sich Staatssekretärin und Pflanzenzüchter, dass es fraglich ist, ob man Pflanzen mit einem punktuellen Eingriff ins Genom fit für den Klimawandel machen kann. Die Anpassung einer Pflanze an ihre Umgebung sei ein komplexer Vorgang. Silvia Bender hob hervor, wie widersprüchlich es sei, einerseits zu betonen, wie klein und schwer nachweisbar eine Genveränderung mit Crispr/Cas sei. Andererseits solle sie in der Lage sein, komplexe Wirkungen wie eine Trockentoleranz zu erzielen. Das müsse alles noch besser erforscht werden. Denn ist eine NGT-Pflanze einmal in die Umwelt entlassen, kann sie nicht zurückgeholt werden. Damit unterscheide sich das Problem auch deutlich von der Frage, ob die neue Gentechnik in der Medizin eingesetzt werden soll, um Patienten zu behandeln, betonte die Staatssekretärin.
Die österreichische Organisation Global 2000 und die IG Saatgut haben übrigens gestern eine Übersicht vorgestellt, welche neuen Gentechnikpflanzen sich aktuell in den Entwicklungspipelines der Unternehmen befinden. Sie fanden drei Pflanzen, die in einzelnen Ländern auf dem Markt sind: herbizidresistenter Raps, Soja mit einem veränderten Ölsäuregehalt und die so genannte GABA-Tomate. „Unsere Recherche offenbart vollmundige Versprechungen, real findet sich bislang kein einziger Zulassungsantrag für ‘klimafitte’ NGT-Pflanzen”, so Autorin Eva Gelinsky von der IG Saatgut. [vef]