14 Jahre hatte Cathie Martin darauf hingearbeitet: Vergangene Woche hat das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) die von der britischen Pflanzenwissenschaftlerin gentechnisch veränderte (gv) lila Tomate als unbedenklich eingestuft. Damit wurde erstmals eine gv-Pflanze in den USA als Ausnahme von der 2020 erlassenen Secure-Regel für Gentechnikpflanzen freigegeben. Die transgene Tomate soll 2023 auf den US-Markt kommen und darf dann ohne Genehmigung angebaut und verkauft werden.
Die ungewöhnliche violette Farbe erhält das Gemüse durch einen besonders hohen Gehalt an Anthocyanen, Stoffen, die normalerweise Früchte wie Blaubeeren und Brombeeren blau färben. In den gv-Tomaten waren laut Entwickler 500 mg Anthocyane pro 100 Gramm Frischgewicht enthalten. Auch Antioxidantien sind nach Angaben der Entwickler vermehrt vorhanden. „Unabhängige Studien zeigen, dass Antioxidantien und Anthocyane die Inzidenz von Krebs reduzieren, die Herz-Kreislauf-Funktion verbessern und die Gesundheit und das Wohlbefinden verbessern können“, schreibt die Norfolk Plant Sciences (NPS) in ihrer Presseinformation. Diese Firma hatte Cathie Martin vom britischen Forschungsinstitut John Innes Centre gemeinsam mit einem Kollegen des Sainsbury Laboratory 2007 gegründet, um ihre Forschung an Pflanzen mit verbesserten gesundheitsfördernden Verbindungen zu kommerzialisieren.
Dabei konzentrierte Martin sich vor allem auf Tomaten. 2008 entdeckte die heute 67jährige, dass auch rote Tomaten ein Gen haben, das sie befähigt, Anthocyane herzustellen. Es ist aber ausgeschaltet, erläutert das NPS auf seiner Webseite. Martin und ihr Team fügten nun zwei Gene des Löwenmäulchens ein, die die Anthocyan-Herstellung der Tomate quasi anschalten sollen. Außerdem sollen sie dazu führen, dass die Tomate länger haltbar bleibt. Als technisches Hilfsmittel für den Labornachweis führten die Wissenschaftler schließlich einen selektierbaren Marker ein, der die Tomate mit Hilfe des Gens für Neomycin-Phosphotransferase (NPTII) gegen die Antibiotika Kanamycin und Neomycin resistent macht.
Diese und weitere Informationen legte Hersteller NRS in einem 20seitigen Schreiben der Pflanzenschutzbehörde APHIS des US-Landwirtschaftsministeriums vor und bat darum, den Regulierungsstatus der transgenen Tomate zu überprüfen. „Wir fanden heraus, dass die Pflanze im Vergleich zu anderen kultivierten Tomaten wahrscheinlich kein erhöhtes Pflanzenschädlingsrisiko darstellt“, antwortete APHIS. Damit unterliege sie nicht den überarbeiteten Biotechnologie-Vorschriften. „Das bedeutet, dass diese Pflanze aus Sicht des Pflanzenschädlingsrisikos in den Vereinigten Staaten sicher angebaut und in der Züchtung verwendet werden kann.“ Diese Einschätzung basiert nach Angaben von APHIS auf den Informationen von NRS sowie auf ihrer eigenen „Vertrautheit mit Tomatensorten, ihrer Kenntnis der Merkmale, die Fruchtfarbe und Ernährungsqualität von Tomaten verändern, sowie ihrem Verständnis der Modifikationen“.
Wie eine Rechtsanwältin auf dem Portal jdsupra.com schreibt, hat sich die Behörde seit dem Erlass der Secure-Regel 2020 insgesamt 15mal zum Regulierungsstatus von Gentechnik-Pflanzen geäußert, das erste Mal im April 2021. Die lila Tomate sei bisher die einzige, bei der APHIS eine Ausnahme von den Secure-Regeln bestätigt hat. Dieser Prozess zur Überprüfung des Regulierungsstatus sei eine Option für Fälle, in denen keine Secure-Regelausnahmen für eine gentechnische Entwicklung gelten, der Entwickler jedoch der Ansicht ist, dass die Pflanze dennoch kein erhöhtes Pflanzenschädlingsrisiko darstellt und daher nicht unter die Regeln für Gentechnikpflanzen fallen sollte. Dieses Verfahren wurde im April 2021 für Mais, Sojabohnen, Baumwolle, Kartoffeln, Tomaten und Luzerne sowie im Oktober 2021 für alle gentechnisch veränderten Pflanzen eingeführt.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Tag erleben würde“, kommentierte Cathie Martin den Meilenstein. "Das Bittersüße ist, dass die Tomaten in Amerika und nicht auch in Großbritannien zum Verkauf angeboten werden können.“ Aber ihr Kollege Jonathan Jones vom Sainsbury Laboratory geht davon aus, dass es auch bald „vernünftige regulatorische Rahmenbedingungen für solche Produkte in Großbritannien“ geben werde. Einstweilen freuen sie sich, dass bereits Hunderte von US-Bürgern über die Big Purple Tomato-Website Interesse bekundet haben, Tomaten und Samen zu kaufen, sobald sie verfügbar sind. Davor stehen aber noch weitere Behördenschritte: Die US-Lebensmittelbehörde FDA und die Umweltbehörde EPA müssen noch grünes Licht geben. [vef]