Kanadische Wissenschaftler konnten nachweisen, dass Gentechnik-Raps seine Glyphosatresistenz an verwandte Unkräuter weitergegeben hat. Diese haben die erworbene Eigenschaft unerwarteter Weise dauerhaft in ihrem Erbgut verankert und machen sich nun auf Feldern jenseits der großen Rapsanbaugebiete breit.
In Kanada wird seit 25 Jahren in großem Stil gentechnisch veränderter (gv) herbizidresistenter Raps angebaut. Dass dieser sich mit wildem Raps kreuzen kann und auch mit der verwandten Art der Rübsen ist bekannt. Dennoch lieferte eine aktuelle Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des staatlichen Saint-Jean-sur-Richelieu Research and Development Centre in der Provinz Quebec einige Überraschungen. Die Forschenden gingen Meldungen von Farmern nach, die glyphosatresistenten Mais und Soja anbauten. Ihnen waren im Jahr 2015 rapsähnliche Pflanzen aufgefallen, die sich mit glyphosathaltigem Spritzmittel nicht beseitigen ließen. Da in der Region kaum Raps gesät wurde, ließen sich die Wissenschaftler in den Jahren 2017 bis 2019 von 20 Agrarbetrieben Proben der verdächtigen Pflanzen schicken und untersuchten 147 davon molekularbiologisch. Ein Drittel der betroffenen Bauern berichtete, dass die rapsartigen Pflanzen mehr als die Hälfte des jeweiligen Feldes bedeckten, obwohl sie selbst dort nie Raps angebaut hatten. Dorthin gelangt sein könnten die Pflanzen über Dung, Maschinen, importiertes Heu, Saatgut oder von Nachbarfeldern, vermuteten die Landwirte.
Wie die Forscher herausfanden, handelte es sich bei den untersuchten Pflanzen teilweise um wildwachsenden gv-Raps, teilweise um die nah mit dem Raps verwandten Rübsen (Brassica rapa). Sie wachsen in vielen Regionen als Ackerunkraut. Dass sich gv-Raps und Rübsen kreuzen können, ist nicht neu. Doch gingen die Wissenschaftler:innen bisher davon aus, dass die dabei entstehenden Hybriden sich kaum fortpflanzen und sich deshalb nicht auf Dauer in der Umwelt halten können. Die kanadischen Forschenden stellten nun fest, dass es sich bei den untersuchten glyphosatresistenten Pflanzen um reinerbige Rübsen handelte. Sie erklärten dies damit, dass sich die Rübsen nach dem Zusammentreffen mit dem gv-Raps in den nächsten Generationen weiter mit Rübsen fortgepflanzt hätten. Dabei seien andere Raps-Eigenschaften wieder verloren gegangen, resistent gegen Glyphosat seien sie aber geblieben.
Überrascht waren die Forscher:innen auch, als sie zwei Proben als Acker-Rettich (Raphanus raphanistrum) identifizierten, ein weiterer wilder Verwandter des Rapses. Nach Angaben der Wissenschaftler wurden beide Arten bisher nur im Labor gekreuzt. Ihr Fund sei demnach der erste nachgewiesene Fall einer Auskreuzung unter natürlichen Bedingungen. Für das gentechnikkritische Institut Testbiotech zeigt die kanadische Studie „erneut die Komplexität und Unvorhersehbarkeit ökologischer Zusammenhänge“. Die Wissenschaftler:innen selbst mahnten: Wenn eine Nutzpflanze gentechnisch verändert wird, sollte man berücksichtigen, ob verwandte Arten Unkrauteigenschaften haben und fähig sind, Hybriden zu bilden – so wie das bei Raps, Rübsen und Acker-Rettich der Fall ist.
Dies kann sogar zu wildwachsenden gv-Pflanzen in Ländern führen, in denen gv-Raps gar nicht angebaut wird. Koreanische Wissenschaftler hatten vor einem Jahr die bekannten Fälle von wildem gv-Raps aus 14 Ländern auf fünf Kontinenten zusammengetragen, darunter auch Österreich, die Schweiz und Deutschland. In der Schweiz kontrollieren die Behörden regelmäßig Transportrouten von Rapssaat oder Vogelfutterplätze auf gv-Raps. 2021 untersuchten sie an Hotspots wie Rangierbahnhöfen oder Ölmühlen insgesamt 180 wildwachsende Rapspflanzen. 26 von ihnen waren gentechnisch verändert. In Deutschland gibt es immer noch kein entsprechendes Monitoring. [lf/vef]