Kenias neu gewählter Präsident William Ruto hat ein seit zehn Jahren bestehendes Verbot aufgehoben, gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen kommerziell anzubauen oder zu importieren. Er begründete den Schritt mit der dürrebedingten Hungersnot in Teilen seines Landes. Zahlreiche Organisationen kritisierten die Entscheidung. Sie befürchten, dass billiger US-Mais und importiertes Saatgut Kleinbauern in den Ruin treiben könnten.
Der Präsident äußerte sich vergangene Woche nach einer Kabinettsitzung, die sich mit der Hungerkrise im Norden und Osten Kenias befasste. Sie bedroht nach UN-Angaben 4,4 Millionen Menschen. Ruto hob nicht nur das Verbot auf, die Regierung erlaubte auch ab sofort, gv-Mais einzuführen und anzubauen, zitierte die kenianische Zeitung Nation aus dem Statement. Damit ermöglichte der Präsident Hilfslieferungen von US-Gentech-Mais in die Dürregebiete. Gleichzeitig könnten weitere US-Importe zu sinkenden Preisen für Maismehl und Tierfutter führen, schrieb das Magazin The East African.
Solche kurzfristigen Effekte dürften dem im August nur mit knapper Mehrheit gewählten Ruto helfen, seine Macht zu stabilisieren. Doch der Ex-Agrarminister war früher schon für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und will mit ihrer Hilfe jetzt die kenianische Landwirtschaft modernisieren. Die Aufhebung des Verbots sei „Teil der mittel- bis langfristigen Antworten auf die anhaltende Dürre“ sowie ein „progressiver Schritt hin zu einer signifikanten Neudefinition der Landwirtschaft in Kenia durch die Einführung von Pflanzen, die gegen Schädlinge und Krankheiten resistent sind“, hieß es in der Erklärung Rutos.
In seiner Antwort wies ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen auf die wirtschaftlichen Folgen dieser Entscheidung für die Kleinbauern hin, die 80 Prozent der Agrarbetriebe in Kenia ausmachen und wesentlich zur lokalen Versorgung der Menschen beitragen. Sie müssten nun mit technisch hochentwickelten und stark subventionierten US-Landwirten konkurrieren, argumentieren die Verbände. Dies sei kein fairer Wettbewerb, gefährde den lokalen Handel und auch den wachsenden Export von Bio-Produkten nach Europa. Zudem mache gentechnisch verändertes Saatgut die Bauern abhängig von profitorientierten multinationalen Konzernen.
Das sieht auch Stig Tanzmann so, Landwirtschaftsreferent der Hilfsorganisation Brot für die Welt. Die Versprechungen der Agro-Gentechnik würden vor allem die Kassen der Konzerne füllen, nicht aber leere Mägen, sagte er dem Infodienst: „Bäuerinnen und Bauern zeigen mit ihren Saatgutsystemen und ihrer agrarökologischen Produktion, dass es genügend Alternativen zu GVOs gibt, die reale Antworten auf Hungerkrise, Klimakrise und Schädlingsbefall liefern.“ Deshalb müssten diese bäuerlichen Produktionssysteme endlich genauso gefördert und unterstützt werden wie GVOs. In Kenia ist die agrarökologische Bewegung stark und auch gut organisiert. Ein Beispiel dafür ist die vom Dachverband Pelum Kenya organisierte dreitägige Messe für heimisches Saatgut, die derzeit in der Hauptstadt Nairobi stattfindet.
Zur Kritik der Verbände passt ein Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, wonach die USA seit Jahren Druck auf Kenia ausübten, das GVO-Verbot zu kippen. Dabei habe der US-Handelsbeauftragte auch argumentiert, dass ansonsten Hilfslieferungen in Hungerregionen nicht möglich seien. Der Lobbyverband der US-Getreidefarmer begrüßte Rutos Entscheidung laut dem Portal GrainNet als „einen wichtigen Wendepunkt in der Entwicklung der kenianischen Lebens- und Futtermittelmärkte". Der Gentechkonzern Bayer sprach gegenüber dem Spiegel von einem „bahnbrechenden Schritt“ und einem „wichtigen Zeichen über die Landesgrenzen hinaus“. Gemeint sind damit Kenias Nachbarländer Tansania und Uganda, die bisher einen strikten Anti-Gentechnikkurs fahren.
Neben den soziökonomischen Auswirkungen spielen in der kenianischen Debatte mögliche gesundheitliche Folgen eine wichtige Rolle. Das GVO-Verbot von 2012 war auch eine Reaktion auf die damals veröffentlichen Seralini-Studie, bei der mit gv-Mais gefütterte Ratten Tumore bekamen. Seither ist gv-Mais in Kenia bei vielen Menschen mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden. Laut einer Umfrage würden 57 Prozent keine gentechnisch veränderten Lebensmittel essen, schrieben die Verbände in ihrem Statement. Ruto nannte deshalb die Weltgesundheitsorganisation und die EU-Lebensmittelbehörde EFSA als Zeugen für die Unschädlichkeit von gv-Mais.
Trotz des Verbots blieben die kenianischen Regierungen der vergangenen zehn Jahre der Agrogentechnik gegenüber aufgeschlossen. Das nationale Forschungsinstitut KALRO entwickelte krankheitsresistente gv-Kassava und gv-Kartoffeln und führt auch Feldversuche durch. 2019 erlaubte Kenia den Anbau von insektenresistenter Bt-Baumwolle. Es gibt eine nationale Biosicherheitsbehörde (NBA), doch die sei mit den auf sie zukommenden Aufgaben überfordert, befürchten die Verbände. Sie fordern deshalb, den Gentechnik-Bann wieder in Kraft zu setzen. [lf/vef]