Das US-Landwirtschaftsministerium sieht keine Umweltrisiken, wenn gentechnisch veränderte Kastanien im großen Stil in den Wäldern der USA gepflanzt werden. Noch bis 27. Dezember sammelt die Behörde öffentliche Kommentare zu ihrer Risikobewertung. Danach will sie ihre Entscheidung fällen. Kritiker:innen befürchten, dass hier unter dem Deckmantel des Artenschutzes das Tor für gentechnisch veränderte Bäume geöffnet wird.
Die amerikanische Esskastanie ist bedroht, seit ein zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingeschleppter Pilz die Bestände absterben lässt. Abhilfe versprechen schon seit Jahren Gentechniker der Universität des Staates New York. Sie haben Weizen-Erbgut in die Kastanie eingeschleust. Diese soll damit ein Enzym produzieren, das die Wirkungskette des Pilzes unterbricht und ihn dadurch unschädlich macht. 2020 beantragten die Forscher bei den US-Behörden die Erlaubnis, die gentechnisch veränderte (gv) Kastanie „Darling 58“ in die Wälder der Ostküste zu pflanzen - mit dem Ziel, eine aussterbende Art zu retten.
Die zuständige Behörde APHIS des US-Landwirtschaftsministeriums veröffentlichte im November 2022 das Ergebnis ihrer Umweltrisikobewertung. Die Freisetzung werde gewisse Umweltauswirkungen mit sich bringen, räumte das APHIS ein, beschreibt diese aber als eher positiv: Die Kastanien als Futterquelle könnten zu mehr Vielfalt bei Tierarten führen. Durch das schnellere Wachstum im Vergleich zu anderen Bäumen würde mehr Kohlendioxid gebunden. Und da Kastanienpollen laut APHIS nur bis zu 400 Meter weit fliegen, bestehe auch kaum Verunreinigungsgefahr für Plantagen mit anderen Esskastanienarten.
„Die Annahme, dass gentechnisch veränderte Kastanienbäume sich in einer bestimmten und vorhersehbaren Weise verhalten werden, die nur auf einem Jahrzehnt der Forschung beruht, ist verfrüht, wenn nicht sogar schlechte Wissenschaft“, hält Donald Edward Davis dagegen. Der Umwelthistoriker hat sich intensiv mit der amerikanischen Esskastanie beschäftigt und bezeichnet die geplante Freisetzung als „gefährliches, nicht rückholbares Experiment“. Die amerikanische Kastanie lasse sich auch ohne Gentechnik retten, ist Davis überzeugt. Schließlich gebe es in den USA noch 400 Millionen Exemplare. Der Verband der amerikanischen Kastanienzüchter (ACCF) arbeitet seit 1985 daran, pilzresistente Exemplare zu finden und zu vermehren und hat dabei zunehmend Erfolg.
Das Bündnis Stop GE Trees, in dem mehrere Umweltorganisationen gegen die Freisetzungspläne vorgehen, sieht die gv-Kastanie deshalb vor allem als Türöffner für andere gv-Bäume. „Das ist ein verrückter Vorschlag, der versucht, eine ökologische Tragödie zu nutzen, um den Einsatz der Gentechnik in der Forstwirtschaft voranzubringen“, sagt Rachel Smolker von Biofuelwatch und fügt hinzu. „Es ist ein Trojanisches Pferd aus gentechnisch verändertem Kastanienholz.“ In einem Report hat Stop GE Trees die derzeit laufenden Projekte mit gv-Bäumen aufgelistet: schneller wachsende Platanen, Pappeln und Gummibäume, herbizidtoleranter Eukalyptus, Pappeln mit geänderter Holzqualität und viele mehr. Bisher gibt es nur Feldversuche und eine kommerzielle Zulassung für Eukalyptus in Brasilien. Diese wird derzeit nicht genutzt, weil der Forest Stewardship Council mit seinem FSC-Siegel für nachhaltige Waldwirtschaft seinen Mitgliedern den kommerziellen Anbau von gv-Bäumen noch verbietet. Feldversuche erlaubt er allerdings schon. Ein Vorstoß, den Mitgliedern auch Feldversuche zu untersagen, scheiterte auf der letzten FSC-Generalversammlung im Oktober. [lf]