Bündnis gegen Gentechnik (v.li.): Thomas Lang (LVÖ), Richard Mergner, Martha Mertens (beide Bund Naturschutz), Jutta Saumweber (VBZ Bayern), Johann Leis (BDM) Foto: Harald Ulmer/Bund Naturschutz

Wertschätzung

Finden Sie diese Nachricht hilfreich? Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende.

Schweiz will neue Gentechnik wie Gentechnik regeln

Die Regierung der Schweiz, der Bundesrat, hat in einem Bericht klargestellt, dass auch neue gentechnische Verfahren (NGT) und die daraus hergestellten Produkte unter das Gentechnikrecht fallen. Der Bericht betont das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit der Verbraucher:innen. Ein Gesetzentwurf zu NGT, den die Regierung für kommendes Jahr plant, soll beides sicherstellen.

Diesen Gesetzentwurf hatte das Parlament vergangenes Jahr verlangt, als es das Schweizer Anbaumoratorium für Gentechnikpflanzen bis Ende 2025 verlängerte. Bis Mitte 2024 soll der Bundesrat einen „risikobasierten Regelungsentwurf“ für Organismen aus neuen Züchtungsverfahren vorlegen, denen keine Fremdgene eingefügt wurden. In seinem Bericht beschreibt der Bundesrat den bestehenden rechtlichen Rahmen: das Schweizer Gentechnikgesetz, das sich eng an die EU-Regelungen anlehnt. Aus dessen Auslegung ergibt sich für den Bundesrat eindeutig: „Neue Mutagenese-Techniken stellen gentechnische Verfahren und die daraus resultierenden Organismen GVO im Rechtssinne dar.“ Dies treffe ebenfalls zu, „wenn sich die entsprechenden Veränderungen auch unter natürlichen Umständen ergeben könnten“. Zwar wäre es theoretisch möglich, künftig bestimmte GVO vom Geltungsbereich des Gentechnikgesetzes auszunehmen. Vorher müsste aber geprüft werden, ob das verfassungsmäßig ist.

Der Bericht deutet darauf hin, dass der Bundesrat bei seinem Gesetzesvorschlag für eine mögliche Zulassung von NGT-Produkten im Rahmen des Gentechnikgesetzes bleiben will. Denn ausführlich wird erläutert, was dabei zu beachten ist: „Gemäß Vorsorgeprinzip müssen sich die potentiellen und konkreten Risiken mit dem verfügbaren Wissen und der Erfahrung plausibel beurteilen lassen“, heißt es darin zur notwendigen Risikobewertung. Damit die Ziele des Gentechnikrechts, insbesondere die Wahlfreiheit, erreicht werden können, müsse der Warenfluss getrennt werden. Dies setze voraus, dass NGT-Produkte entlang der gesamten Warenflusskette nachweisbar und rückverfolgbar sind und zwingend gekennzeichnet werden, heißt es in dem Bericht. Er beschreibt die Schwierigkeiten, NGT nachzuweisen, sieht dies aber nicht als unmöglich an.

Abschließend schreibt der Bundesrat: „Die Schwierigkeit, gewisse GVO aus neuen gentechnischen Verfahren sicher als solche identifizieren zu können, ist jedoch kein Argument dafür, sie rechtlich nicht als solche zu qualifizieren.“ Zu einer Änderung der Kennzeichnung heißt es, „möglich wären einzig zusätzliche Angaben, aber kein Weglassen von Teilen oder Abändern der vorgeschriebenen Kennzeichnung“. Sollte nach Ende des Moratoriums ab 2026 ein Anbau von NGT-Pflanzen erlaubt werden, müsse vorab geregelt werden, wie gentechnikfreie Äcker geschützt werden können und wer bei gentechnischen Verunreinigungen haftet. Ebenfalls zu regeln sei eine weitere Bedingung, die das Parlament an eine mögliche Zulassung von NGT-Pflanzen geknüpft hat: Es muss für diese Pflanzen „ein Mehrwert für die Landwirtschaft, die Umwelt oder die Konsumentinnen und Konsumenten nachgewiesen werden“.

Die Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG) begrüßte die rechtlichen Klarstellungen in dem Bericht. Sie betonte, dass es laut der dem Bericht zugrundeliegenden Rechtsgutachten nicht möglich sei, NGT generell vom Gentechnikgesetz auszunehmen. Dies wäre rechtswidrig und „stünde weder mit dem Zweck des Gentechnikgesetzes noch mit der Bundesverfassung im Einklang“, schrieb die SAG. Sie kritisierte, dass der Bericht kaum auf die Patente auf NGT und deren Einfluss auf Marktprozesse und gentechnikfreie Züchtung einging. Zudem bezeichne der Bundesrat die Koexistenz von NGT und gentechnikfreier Landwirtschaft als realisierbar, mache aber kaum Vorschläge, wie dies ohne Kollisionen gewährleistet werden kann. „Hier werden anstatt konstruktiver Lösungsansätze lediglich alte Vorschläge für mögliche Koexistenzprojekte hervorgeholt, die bereits mit überwältigender Mehrheit vom Parlament und den Kantonen abgelehnt wurden“, sagte SAG-Präsidentin Martina Munz. Sie forderte im Fall einer Zulassung von NGT konkrete Koexistenz- und Kennzeichnungsregeln. Auch müsse geregelt sein, wer bei Schadensfällen hafte.

Die den Bundesrat beratende Kommission für Landwirtschaft (BEKO) stellte fest, „dass eine Sonderbehandlung neuer gentechnischer Verfahren mit einer risikobasierten Zulassungsregelung gerechtfertigt ist“. Sie setzt große Hoffnungen in NGT—Pflanzen. Deshalb sollten diese „im Gesetz speziell geregelt und nicht generell als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) behandelt werden“, schrieb die BEKO. Gleichzeitig müsse aber die Wahlfreiheit gewahrt bleiben. Die dafür notwendigen Kennzeichnungsregelungen „sind soweit wie möglich aufzuzeigen“.

Der nächste Schritt ist nun, dass der Bundesrat entlang der im Bericht genannten Eckpunkte einen Vorentwurf erarbeitet und diesen in die Verbandsanhörung gibt (auf schweizerisch Vernehmlassung). Erst wenn deren Ergebnisse eingearbeitet wurden, kann der Gesetzentwurf dem Parlament vorgelegt werden. Was laut Gentechnikgesetz „spätestens bis Mitte 2024“ passiert sein soll. [lf]

Wir nehmen Datenschutz ernst!
Unsere Seiten nutzen in der Grundeinstellung nur technisch-notwendige Cookies. Inhalte Dritter (YouTube und Google Maps) binden wir erst nach Zustimmung ein.
Cookie-Einstellungen | Impressum & Datenschutz

OK