Die philippinische Regierung und das internationale Reisforschungsinstitut IRRI wollen einen gentechnisch veränderten (gv) Reis mit einem erhöhten Gehalt an Beta-Carotin in großem Stil anbauen. Doch die wegen der Farbe ihrer Körner als „goldener" Reis bezeichnete Pflanze dürfen die Landwirte vorerst nicht kommerziell nutzen. Der Supreme Court, das oberste Gericht der Philippinen, hat das im April per einstweiliger Verfügung verboten. Die klagenden Bauern- und Umweltorganisationen begrüßten die Entscheidung.
Mehrere philippinische Organisationen und Einzelpersonen, angeführt von der Bauernvereinigung Masipag und Greenpeace Südostasien, hatten im Oktober vergangenen Jahres an das Gericht appelliert, den von der Regierung erlaubten kommerziellen Anbau von „goldenem Reis“ und gv-Auberginen zu verbieten. Sie begründeten dies mit den Risiken für Gesundheit und Umwelt, die mit einer großflächigen Aussaat verbunden seien. Mit ihrer Eingabe nahmen sie ein in der philippinischen Verfassung verankertes Recht in Anspruch, das auf Englisch als „Writ of Kalikasan“ bezeichnet wird. Kalikasan ist das philippinische Wort für Natur. Dieses Recht erlaubt Einzelpersonen und Organisationen, sich an das oberste Gericht zu wenden, wenn sie durch die Entscheidung einer Behörde oder einer Privatperson das in der Verfassung verankerte Recht auf eine ausgewogene und gesunde Umwelt verletzt oder bedroht sehen. Dabei muss diese Gefahr mindestens Menschen in zwei Städten oder Provinzen betreffen. Verbunden war die Eingabe mit der Bitte an das Gericht, den Anbau bis zu einem abschließenden Urteil mit einer einstweiligen Verfügung auszusetzen.
Das oberste Gericht hat diesem Antrag stattgegeben, den Anbau vorerst gestoppt und die Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt sowie das Internationale Reisforschungsinstitut IRRI aufgefordert, innerhalb von zehn Tagen Stellung zu nehmen. Diese Frist lief Ende April aus. Danach sieht das Prozedere für ein „Writ of Kalikasan“ vor, dass das Gericht beide Parteien innerhalb von 60 Tagen anhört. Ist der Vorgang aus Sicht des Gerichts danach reif für eine Entscheidung, muss diese nach weiteren 60 Tagen verkündet werden. Offen lassen die Verfahrensregeln, wieviel Zeit sich die Richtenden nehmen können, um nach der Anhörung die gesammelten Daten und Argumente zu prüfen, einzuordnen und daraus eine Entscheidung zu entwickeln. Und im Fall des „goldenen Reises“ sind das viele Aspekte. Wie die Nachrichtenwebseite „Philstar Global“ ausführt, forderten die antragstellenden Organisationen diverse Maßnahmen: Die Zulassungen für gv-Reis und -Auberginen sollen zurückgezogen werden. Das Gericht soll unabhängige Risikoprüfungen anordnen, ferner sicherstellen, dass Bauern und Indigene einer Freisetzung vorab zustimmen. Schließlich soll es klarstellen, wer für eventuelle Schäden aufkommt. Addiert man die vorgesehenen Fristen, ist kaum mit einer Entscheidung vor Herbst 2024 zu rechnen. Zumal der Supreme Court bis Anfang Juni Sitzungspause macht, um sich inhaltlich mit bereits laufenden Verfahren zu beschäftigen, wie die Webseite „Manila Bulletin“ schreibt.
„Diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist ein Sieg für die Landwirte und Filipinos, die sich seit langem gegen gentechnisch veränderte Pflanzen und die damit verbundenen Schäden für die Menschen und die Umwelt wehren“, sagte Wilhelmina Pelegrina von Greenpeace Südostasien der „Manila Times“. Die Organisation Masipag begrüßte die Entscheidung des Obersten Gerichts: „Es ist dringend erforderlich, dass die Ausbreitung von Goldenem Reis und Bt-Auberginen gestoppt wird, da unsere lokalen Reissorten und die damit verbundene biologische Vielfalt in Gefahr sind, durch diese gentechnisch veränderten Pflanzen kontaminiert zu werden“, erklärte Masipag-Koordinator Alfie Pulumbarit. Die Organisation, in der Landwirt:innen und Wissenschaftler:innen gemeinsam lokale Reissorten weiterzüchten und verbessern, forderte die Regierung und die lokalen Behörden auf, sich für Kleinbauern und Bio-Anbau stark zu machen und die Verbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen zu verbieten.
„Goldener" Reis (englisch: Golden Rice) ist eine vor einem Vierteljahrhundert entwickelte gv-Pflanze, die einst als gentechnische Lösung angepriesen wurde, um den Vitamin A-Mangel in Entwicklungsländern zu beheben. Sie wird bis heute nirgends kommerziell angebaut. Nur das IRRI setzte die Forschungen fort und durfte schließlich im vergangenen Jahr erstmals größere Feldversuche durchführen, bei denen 67 Tonnen „goldener“ Reis geerntet wurden (der Infodienst berichtete). Denn die philippinische Regierung setzt stark auf Gentechnik und plant, dass der gelbe Reis 2027 auf zehn Prozent der Reisanbaufläche wachsen soll, was ungefähr 500.000 Hektar entspräche. Zudem hat die Regierung im vergangenen Herbst auch den kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Bt-Auberginen zugelassen. Sie produzieren ein Bakteriengift gegen Schädlinge und werden bisher kommerziell nur in Bangladesch angebaut, obwohl sie schon seit 15 Jahren angepriesen werden. [lf]