Die Umweltminister:innen der Länder sowie diverse Fachverbände warnen davor, den freien Zugang zum natürlichen Genpool der Pflanzen durch Patente zu blockieren. Auch die Bundesregierung sieht die Gefahr, dass aufgrund der neuen gentechnischen Verfahren (NGT) zunehmend Patente auf Pflanzeneigenschaften erteilt werden, die für die Züchter:innen existenzgefährdend sein können, teilte sie auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion kürzlich mit. Das Bündnis „Keine Patente auf Saatgut!“ hat gerade wieder gegen ein solches Patent Einspruch beim Europäischen Patentamt eingelegt.
In Deutschland gibt es eine große Vielfalt an Unternehmen, die Pflanzen züchten und mit Saatgut handeln - davon 58 meist kleine und mittelständische Unternehmen mit eigenen Zuchtprogrammen, schreibt die Bundesregierung. Es sei ihr ein zentrales Anliegen, die genetischen Ressourcen für deren weitere züchterische Arbeit zu erhalten. „Eine Zunahme von Patentanmeldungen auf DNA-Sequenzen könnte auch in Europa die Vielfalt nutzbarer Ressourcen, zu denen freier Zugang besteht, einschränken und für kleine und mittelständische Züchtungsunternehmen eine Herausforderung darstellen“, heißt es in der Antwort.
Nach aktueller Rechtslage dürfen konventionell gezüchtete Pflanzen nicht patentiert werden, nur solche, die gentechnisch verändert wurden. Das Problem: Wurde eine Pflanze mit einem neuen gentechnischen Verfahren nur minimal manipuliert, können die Behörden das in den meisten Fällen bisher nicht nachweisen. Das machen sich die Agrarkonzerne zunutze: „Technische Verfahren wie die Neue Gentechnik und Werkzeuge wie Crispr/Cas werden in der Patentschrift erwähnt, um den Eindruck einer technischen Erfindung zu erwecken“, erläutert Christoph Then vom Bündnis „Keine Patente auf Saatgut!“. „Tatsächlich stammen diese Pflanzen aus konventioneller Zucht und sind nicht patentierbar. Im Ergebnis verstößt das Patent gegen alle Regeln des Patentrechts.“ Als Beispiel nennt er einen konventionell gezüchteten, patentierten Mais des Unternehmens KWS, der besonders kältetolerant sein soll. Das Bündnis legte diese Woche beim Europäischen Patentamt Einspruch gegen dieses Maispatent ein.
„Zur Erhaltung einer artenreichen Landwirtschaft und Natur muss der freie Zugang zum natürlichen Genpool als Gemeingut für Züchterinnen und Züchter bewahrt und darf nicht durch Patente blockiert werden“, forderte auch die Umweltministerkonferenz vergangene Woche in Königswinter. Außerdem bat sie die Bundesregierung laut vorläufigem Protokoll, „ausreichend Mittel zur Entwicklung von Nachweismethoden für den Einsatz neuer Gentechnikverfahren in der Pflanzen- und Tierzüchtung zur Verfügung zu stellen“. Schließlich solle der Bund sich national und auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass Unternehmen dazu verpflichtet werden, ohne Auflagen Pflanzenmaterial bereitzustellen, um Nachweismethoden für NGT entwickeln und validieren zu können.
In der Frage der Patente stimmen auch Verbände überein, die beim Thema neue Gentechnik sonst ganz unterschiedliche Positionen vertreten. So zeigte sich der Deutsche Bauernverband (DBV) im Vorfeld der Umweltministerkonferenz sehr besorgt, „dass das bisherige erfolgreiche System des Sortenschutzes dadurch ausgehebelt wird, dass nach derzeitiger Rechtslage genomeditierte Sorten unter das Patentrecht fallen können. Damit würde die weitere Verwendung von geschütztem Material und die gemeinschaftliche Nutzung des Zuchtfortschritts drastisch eingeschränkt“, hieß es in einer Presseinformation. Der DBV befürchtet, dass bei einem Einstieg in Biopatente eine „nicht unerhebliche Zahl“ von Züchtungsunternehmen aufgeben würde. Das sieht auch der niederländische Züchter „Nordic Maize Breeding“ so, der im Bündnis „Keine Patente auf Saatgut!“ mitarbeitet. „Wenn derartige Patente erteilt werden, könnte Nordic Maize breeding die letzte Firma gewesen sein, die noch ein Programm zur Züchtung von Mais gestartet hat“, sagt eine Mitarbeiterin.
Sofern sie nicht patentiert werden, sieht der DBV allerdings durchaus Vorteile in den neuen gentechnischen Verfahren und hat bislang die politischen Kräfte unterstützt, die ihren Einsatz erleichtern wollen. Ihnen stellte er nun in Aussicht, dass er ihre Bemühungen um eine Freigabe der NGT nicht mehr unterstützen werde, sofern sie mit Patenten verbunden seien. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hingegen ist generell dagegen, die Regeln für NGT-Pflanzen zu lockern. Ähnlich wie der BDV warnt sie: Würden die Pflanzeneigenschaften patentiert, sei die vielfältige europäische Züchter:innenlandschaft bedroht. „Schon jetzt berichten mittelständische Unternehmen, dass sie in bestimmten Bereichen nicht mehr züchten, um Patentstreitigkeiten zu vermeiden“, schreibt die AbL heute an die Europäische Kommission.
Der Brief geht unter anderen an deren Vizepräsidenten Frans Timmermans, der am Montag im Europäischen Parlament mit Abgeordneten darüber diskutieren wird, wie neue gentechnische Verfahren künftig sinnvollerweise geregelt werden sollten (ab 15.30 Uhr im Livestream). Ein erster Entwurf der EU-Kommission dazu ist jetzt für 5. Juli angekündigt. Aber da die Abstimmungen unter den Beteiligten noch laufen, könnte sich dieser Termin erneut verschieben. [vef/lf]