Patente führen Landwirte in die Abhängigkeit

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Experten: Crispr-Patente zerstören Saatgutmarkt in Europa

Anders als konventionell gezüchtete dürfen gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen patentiert werden. Wie berichtet plant die EU-Kommission, gv-Pflanzen mit kleineren Veränderungen den konventionell gezüchteten gleichzustellen. Viele befürchten, dass das zu einer Patentierungswelle auf konventionelle Pflanzen führen und Landwirte von großen Agrarkonzernen abhängiger machen könnte. Die Europäische Kommission will erst mal abwarten, was auf dem Agrarmarkt passieren wird, bevor sie die Patentregeln anpasst.

Dabei zeigt ein Blick in die USA bereits, wie die Einführung der Gentechnik und damit verbundener Patente in den vergangenen Jahren zu einer Konzentration auf dem Saatgutmarkt geführt haben. Nach einer Studie der Universität Sussex, die sich auf Zahlen des US-Agrarministeriums aus dem Jahr 2022 beruft, liegen die Rechte an den vier gängigen Gentechnikpflanzen zum größten Teil in der Hand der vier weltweit operierenden Agrarkonzerne Bayer, BASF, Sinochem und Corteva. Besonders hoch ist die Quote bei Raps (97 %) und Mais (95 %). Diese Firmen würden auch davon profitieren, würde die EU-Kommission kleinere gentechnische Veränderungen vom Gentechnikrecht ausnehmen, prophezeite Adrian Ely, Mitautor der Studie, bei einer Veranstaltung der Grünen im Europäischen Parlament. Er sieht die Gefahr, dass "Patentdickichte" und "Patentminenfelder" entstehen, die den europäischen Saatgutsektor in komplexe Rechtsstreitigkeiten, Verhandlungen und gegenseitige Lizenzen zu verwickeln drohen, bis er am Ende aufgekauft werde. Die Biobranche könnte ferner durch Verunreinigungen geschädigt werden, warnte der Wissenschaftler.

Was die Patente auf neue gentechnische Verfahren (NGT) wie Crispr/Cas in Europa angeht, bestätigt sich das Bild: Wie das Münchner Institut Testbiotech recherchierte, sind auch hier die Agrarkonzerne Corteva und Bayer führend: Corteva habe bis Ende 2022 rund 100 solcher Patente beantragt, Bayer gut 60. Doch nach Erkenntnissen von Testbiotech lassen sich manche Firmen nicht nur gentechnische Neuentwicklungen patentieren, sondern etwa auch die Veränderung alter Gentechnikpflanzen mittels neuer gentechnischer Verfahren. Bei dieser „Second Hand-Gentechnik“ würde die Crispr/Cas-Technologie dazu verwendet, Transgene, die mit Hilfe der ‚alten Gentechnik‘ in das Erbgut inseriert wurden, zu entfernen, zu verändern oder mit weiteren Eigenschaften zu kombinieren, erläuterte Testbiotech-Geschäftsführer Christoph Then. So ließen sich Patente noch einmal verlängern, die sonst nach 20 Jahren auslaufen würden.

Besonders kritisch sieht es Then, wenn unter dem Vorwand eines gentechnischen Eingriffs Patente auf winzige Punktmutationen im Erbgut beantragt werden, die auch in natürlichen Exemplaren einer Art vorkommen. So habe etwa der Konzern Syngenta ein Patent auf 5000 solcher Punktmutationen in einer Sojabohne angemeldet, die auch bei wilden Verwandten der Pflanze auftauchen. Auf diese Weise könne im Extremfall verhindert werden, dass andere Züchter mit dieser Pflanze künftig noch arbeiten können, warnte Then. Und schließlich werde zuweilen traditionelle Züchtung als neue Gentechnik „verkauft“, damit die Pflanze patentiert werden kann. Denn wenn die Pflanzen als nicht unterscheidbar gleichbehandelt werden, wer weiß denn dann noch, ob wirklich Gentechnik im Spiel war?

Das ist auch eine große Sorge der Bauern, dass sie überraschend mit kostspieligen Patentansprüchen auf Pflanzen konfrontiert werden, mit denen sie bisher unbehelligt arbeiten konnten. So kam es zu der zwiegespaltenen Positionierung des deutschen Bauernverbandes, der zwar neue Gentechnik begrüßte, aber nur dann, wenn sie nicht mit Patenten verbunden ist. Vor einer „schleichende Enteignung von Bäuerinnen und Bauern“ warnte auch Christoph Fischer von der gentechnikkritischen Initiative Zivilcourage: „Wenn Saatgut nicht mehr als GVO-Saatgut gekennzeichnet ist und GVO-Felder nicht mehr in einem Standortregister stehen, wird Lizenzforderungen von Patenthaltern Tür- und Tor geöffnet. Das können wir in den USA schon seit zwei Jahrzehnten beobachten.“

Die EU-Kommission möchte das jetzt auch in Europa tun. Sie will die Auswirkungen von Patenten auf den Markt und die Züchtungsinnovation einer breiteren Marktanalyse unterziehen. Die soll den Zugang der Züchter zu genetischem Material und Techniken ebenso berücksichtigen wie die Verfügbarkeit von Saatgut für Landwirte und die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit der EU-Biotech-Industrie. „Die Kommission wird bis 2026 über ihre Ergebnisse berichten. Die Analyse wird mögliche Herausforderungen in diesem Sektor aufzeigen und als Grundlage für die Entscheidung über mögliche Folgemaßnahmen dienen“, teilte sie Anfang des Monats mit, als sie ihren Entwurf für neue NGT-Regeln vorstellte. Doch der muss jetzt noch mit Europäischem Parlament und Rat abgestimmt werden. Und bei der Veranstaltung der Grünen im EP wurde bereits deutlich, dass er so nicht bleiben kann. [vef]

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