Schild am Eingang eines Gerichts in Newcastle (Foto: smlp.co.uk, https://bit.ly/3TJJODo, creativecommons.org/licenses/by/2.0)

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Glyphosat-Pestizide: Verbände klagen gegen Zulassungen

Während die Europäische Kommission auf eine erneute Zulassung von Glyphosat zusteuert, greifen Umweltorganisationen bestehende Zulassungen des Totalherbizids und seiner Produkte mit teils neuen Klagemöglichkeiten für Verbände an. Die Deutsche Umwelthilfe, Foodwatch und die Aurelia-Stiftung haben entsprechende Vorstöße angekündigt. In Frankreich konnte die Organisation Générations Futures (dt. künftige Generationen) bereits einen ersten Erfolg erzielen: Ein Gericht annullierte die Zulassungen von zwei glyphosathaltigen Pestiziden.

Nach dem europäischen Pestizidrecht lässt die Europäische Union (EU) zunächst den Wirkstoff Glyphosat zu. Anschließend müssen die nationalen Behörden noch die Vermarktung der Spritzmittel genehmigen, die aus diesem Wirkstoff und weiteren Hilfsstoffen hergestellt wurden. Nachdem die EU Ende 2017 Glyphosat erneut für fünf Jahre zugelassen hatte, erlaubte die zuständige französische Behörde Anses im September 2020 dem Hersteller Syngenta auch wieder den Vertrieb des glyphosathaltigen Pestizids Touchdown. Im Dezember 2020 klagte die französische Umweltorganisation Générations Futures beim Verwaltungsgericht von Montpellier gegen diese Genehmigung. Sie argumentierte, dass Anses keine Daten zu den Risiken von Glyphosat für Wirbeltiere, Bestäuber und andere Insekten verlangt und damit gegen das europarechtliche Vorsorgeprinzip verstoßen habe.

Die Verwaltungsrichter schlossen sich dieser Argumentation an und bemängelten, dass die Risikobewertung der Anses aufgrund der fehlenden Daten nicht vollständig sei. Sie verwiesen dabei auf die Verordnung 2017/2324, mit der die EU-Kommission Glyphosat im Dezember 2017 zugelassen hatte. Darin forderte sie die EU-Mitgliedstaaten explizit auf, bei ihrer Gesamtbewertung auf die Risiken für Wirbeltiere und die Bedrohung der Insektenvielfalt zu achten. Dem sei Anses nicht nachgekommen. Das Urteil ist inzwischen umgesetzt. Auf der Webseite von Syngenta Frankreich steht Touchdown als nicht mehr zugelassen. Générations Futures feierte das Urteil als Sieg, forderte Anses auf, in ähnlich gelagerten Fällen ebenfalls die Zulassungen zurückzuziehen und will weitere Klagen prüfen.

In Deutschland musste sich die Deutsche Umwelthilfe (DUH) das Recht, gegen Pestizidzulassungen zu klagen, erst vor dem Europäischen Gerichtshof erkämpfen. Das bis dahin geltende deutsche Verbot solcher Verbandsklagen widerspreche EU-Recht und sei nichtig, erklärten die Richter im November 2022. Daraufhin machte sich die DUH zusammen mit der Verbraucherorganisation Foodwatch auf den Weg und legte in einem ersten Schritt Widerspruch gegen fünf Pestizidzulassungen ein, darunter das glyphosathaltige Roundup Powerflex von Bayer. Da das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Zulassung nicht von sich aus zurücknahm, kündigte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch eine Klage gegen Roundup Powerflex noch im Juli an. (Update: Die Klage wurde am 26. Juli eingereicht).

Dieser Klage kommt angesichts der bisherigen Rechtsprechung eine besondere Bedeutung zu. 2019 hatte das Umweltbundesamt für die Zulassung von Totalherbiziden wie Glyphosat strenge Auflagen zum Schutz der Biodiversität verlangt und sich dabei ebenfalls auf die Verordnung 2017/2324 berufen. Zwei Pestizidhersteller klagten dagegen und bekamen vom Verwaltungsgericht Braunschweig recht. Die Urteile „sprechen deutschen Behörden das Recht ab, die tatsächlichen Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die Umwelt vollumfänglich zu bewerten und Schutzmaßnahmen für die biologische Vielfalt und das Grundwasser vorzusehen“, kommentierte damals das Umweltbundesamt. Es verlangte vom beklagten Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Berufung zu gehen. Doch das erkannte die Urteile an. Mit der neuen Klage könnte die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Braunschweig revidiert werden.

Eine weitere Glyphosatklage bereitet die Aurelia Stiftung vor. Sie will vom Europäischen Gericht die Ende 2022 von der EU-Kommission beschlossene Verlängerung der Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat um ein Jahr überprüfen lassen. Zuvor hatte die für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständige Kommissarin Stella Kyriakides eine Einwendung der Stiftung zurückgewiesen und auf den Klageweg verwiesen. Stiftungsvorstand Thomas Radetzki begründete die Klage damit, dass „Glyphosat nicht nur eine Vielzahl von Beikräutern abtötet, sondern auch Bienen, bestäubende Insekten und Amphibien schädigt“. Auch die Aurelia Stiftung betritt juristisches Neuland, da eine entsprechende Klagemöglichkeit für Verbände auf EU-Ebene erst seit 2021 existiert. Bedeutung hat die Klage über Glyphosat hinaus, da es eine gängige Praxis der EU-Kommission ist, Pestizidzulassungen zu verlängern, obwohl die Behörden die Wirkstoffe noch nicht abschließend neu bewertet haben. [lf]

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