In Bayern haben sich die Minister:innen für Landwirtschaft und Umwelt skeptisch zu den Gentechnikvorschlägen der EU-Kommission geäußert. Damit verlässt die CSU-geführte Staatsregierung den gentechnikfreundlichen Kurs der Unionsparteien im Bund. Der Grund: Im Bayern ist im Oktober Landtagswahl.
Bayern ist seit April 2014 Mitglied im Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen und hat 2019 den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen gesetzlich verboten. Im Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt machte die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber von der CSU deutlich, dass sie auch neue gentechnische Verfahren (NGT) skeptisch sieht. „Alle Fragen zur Sicherheit, auch zum Beispiel der Koexistenz von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft, müssen vor weiteren Debatten geklärt sein“, zitierte das Wochenblatt Kanibers Ministerium. Die Sicherheit, auch die der Verbraucher, habe absoluten Vorrang. Dafür brauche es weitere Forschung und mehr Fakten. Auch stehe aus Sicht des bayerischen Landwirtschaftsministeriums noch nicht abschließend fest, ob NGT-Pflanzen die versprochenen Vorteile wirklich hätten. Hier müsse man nun eingehend analysieren, schrieb das Ministerium dem Wochenblatt.
Ministerin Kaniber selbst wandte sich explizit gegen die Absicht der Kommission, nationale Verbote von NGT-Pflanzen zu untersagen. „Wir finden es nicht hinnehmbar, dass die EU-Mitgliedstaaten nach Ansicht der EU-Kommission künftig nicht mehr selbst entscheiden dürfen, ob sie derartig erzeugte Pflanzen zulassen“, sagte die Ministerin dem Wochenblatt und forderte, die Regionen Europas und deren Bürgerinnen und Bürger in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen.
Eine Woche nach Kaniber äußerte sich Bayerns Umwelt- und Verbraucherminister Thorsten Glauber von den Freien Wählern ebenfalls im Wochenblatt zur neuen Gentechnik. „Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ist mit den empfindlichen Naturräumen und der kleinteiligen Agrarstruktur in Bayern nicht vereinbar“, sagte Glauber. Beibehalten will er auch die Kennzeichnungspflicht entlang der kompletten Lebensmittelkette. Bayern brauche Wahlfreiheit für Verbraucher, Landwirte und Industrie, zitierte das Wochenblatt den Minister.
Damit setzt sich die CSU-geführte Staatsregierung in Bayern deutlich von dem ab, was die CSU-Bundestagsabgeordneten in Berlin sagen. In einem Antrag vom Sommer 2022 forderte die Bundestagsfraktion von CDU und CSU die Bundesregierung auf, sich in der EU für „eine Reform des EU-Gentechnikrechts einzusetzen, sodass die Forschung und Anwendung von NGT außerhalb der GVO-Regulierung geregelt wird, wenn die Merkmale auch mit konventionellen Methoden erreicht werden können.“ CDU und CSU forderten sogar, „die Verwendung von NGT in die gute fachliche Praxis aufzunehmen“. Das würde bedeuten, dass den Landwirt:innen amtlich nahegelegt wird, NGT-Pflanzen anzubauen. Der Bundestag lehnte den Antrag im März 2023 ab.
Dass die CSU in Bayern und Berlin mit zweierlei Zungen spricht, hat einen Grund. In Bayern wird im Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die neue Gentechnik wird von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt und der aktive Widerstand dagegen reicht weit in konservative ländliche Kreise. So engagiert sich etwa der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) im Bündnis Bayern für eine gentechnikfreie Natur und Landwirtschaft. Um das Thema im Wahlkampf flach zu halten, sendet die Staatsregierung deshalb erste Widerstandssignale. Allerdings dezent und gezielt über das Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt, das fast jeder bayerische Bauernhof abonniert hat. Richard Mergner, dem Vorsitzenden des Bund Naturschutz in Bayern reicht das nicht. Er forderte den CSU-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Markus Söder bei einer Demonstration in München auf, „Klartext“ zu reden.
Denn auf der Berliner Bühne lobt die CSU weiterhin die neue Gentechnik, zuletzt in einer Ende Juli eingereichten Kleinen Anfrage, mit der sie die unterschiedlichen Positionen zu NGT in der Bundesregierung thematisiert. In Brüssel führt der CSU-Politiker Manfred Weber die Europäische Volkspartei und unterstützt mit ihr aktiv die Gentechnikpläne der Kommission. Doch auch in Europa wird im Juni 2024 gewählt. [lf]